Was Zeit genau ist, ist nicht eindeutig geklärt. Das liegt wohl daran, dass wir es bei der Zeit mit einer Dimension zu tun haben, die für uns sehr schwer zu erfassen ist. Einerseits ist die Zeit eine physikalische Größe, mit einer genormten Einheit, der Sekunde. Andrerseits können wir aber die Zeit nicht von unserer eigenen Existenz trennen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sind nicht nur Faktoren der Zeit sondern auch höchst persönliche Eindrücke. Schon alleine zu bestimmen, wie lange ein Augenblick dauert, stellt uns vor eine unlösbare Aufgabe. Und der Tatsache, dass der objektiv gleiche Zeitraum einmal sehr lange dauert und ein anderes Mal sehr schnell vergeht, scheint es auch irgendwo an Logik zu fehlen. Wir schaffen es ja sogar, die Zeit zu übersehen.
Der englische Uhrmacher John Harrison konnte vor 250 Jahren das Problem der Ortsbestimmung auf See alleine durch die exakte Zeitmessung lösen. Das einzige, das er dazu brauchte, war ein verlässliches Gerät zum Messen der Zeit. Die Konstruktion seiner legendären Uhren H1 bis H3 dauerte dann aber doch einige Jahrzehnte. Heute stellt uns die exakte Zeitmessung scheinbar vor keine großen Herausforderungen. Aber nur scheinbar.
Denn die Sekunde, als Basiseinheit der Zeit, wird ungefähr mit der Länge eines Herzschlags definiert. Abgeleitet ist sie von der Erdumdrehung, die einen Tag dauert. Und da der Tag 24 Stunden hat, die Stunden 60 Minuten und die Minute 60 Sekunden, ist die Sekunde der 86.400ste Teil eines Tages. Das ist die sogenannte Sonnensekunde. Allerdings spielt die Erde da nicht mit, denn sie rotiert nicht immer gleich schnell. Zur Zeit ist sie etwas schneller unterwegs und zwar um etwa 1 Sekunde in 500 Tagen. Da die Physiker nicht gerne mit so ungenauen Einheiten arbeiten, wurde die Sekunde schlichtweg neu definiert. Die derzeit gültige Definition der Sekunde der Generalkonferenz für Maß und Gewicht (CGPM) von 2019 lautet: das Vielfache der Periode einer Mikrowelle, die mit einem ausgewählten Niveauübergang im Caesium-Atom in Resonanz ist. Diese genaue Sekunde wird als Atomsekunde bezeichnet.
Also mir persönlich gefällt das mit dem Tag besser, meinem GPS vermutlich nicht. Aber wie auch immer, fest steht, dass Sekunde nicht gleich Sekunde ist und damit Mittag wie eh und jeh um Punkt 12 Uhr ist, brauchen wir einen Trick, um zwischen Sonnensekunde und Attomsekunde auszugleichen. Und dieser Trick ist die Schaltsekunde. So wurden seit 1972 immerhin 37 (Atom-) Sekunden zum Tag dazugeschwindelt, das letzte Mal 2016.
Dieser Schwindel soll jetzt aber ein Ende haben, hat die CGMP im November 2022 beschlossen. Ab 1935 soll es keine Schaltsekunden mehr geben. Vor allem, damit das GPS nicht verwirrt wird. Das berücksichtigt nämlich seit der Einführung 1980 keine Schaltsekunden und ist der Sonnenzeit schon 18 Sekunden voraus.
Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit statt in den neuesten GPS-Plotter in einen Sextanten zu investieren.
mar