Diese Seekarten-App ist so intuitiv wie ein 7. Sinn
Wenn man an Bord auf einen Kartenplotter verzichtet und das Tablet zur Navigation verwendet, braucht man dazu eine elektronische Seekarte und eine Software, die dann das Tablet zum Plotter macht. Wir nutzen dazu die italienische App Aqua Map und sind von ihr begeistert.
Bisher verwendeten wir Navionics, das inzwischen soetwas wie ein Standard für Navigation auf Mobilgeräten geworden ist und sind damit sehr gut zurecht gekommen. Natürlich haben wir auch viele andere Apps (Delius Klasing Yacht Navigator, NV Charts, Seapilot, OpenSeaMap, C-Map, Irmay Navigator) ausprobiert, aber letztendlich konnte uns keine von diesen so recht überzeugen.
Aber nach 11 Jahren Treue haben wir nun das Abo für Navionics nicht mehr verlängert und sind auf Aqua Map umgestiegen. Die App lief uns zufällig über den Weg, wir hatten davor noch nie etwas von ihr gehört oder darüber gelesen und nachdem wir schon so vieles ausprobiert hatten, dachten wir: „Warum nicht?“. Aqua Map zu testen ist sehr bequem, denn man hat 2 Wochen den vollen Umfang des aktuellen Kartenmaterials kostenlos zur Verfügung. Beim Test blieb es bei uns aber nicht und wir können nach einer Test-Saison wirklich sagen, dass wir voll und ganz überzeugt sind.
Aber was ist jetzt an Aqua Map so anders und besser?
Ohne jetzt auf eine Gegenüberstellung der ganzen Funktionen einzugehen, die wir weder bei Navionics noch bei Aqua Map in vollem Umfang kennen und nutzen, sind es drei grundlegende Elemente, die bei Aqua Map hervorstechen:
- Die Vernetzung ganz unterschiedlicher Datenquellen für Karten und Informationen
- Die Einbindung eines NMEA 2000 Netzwerkes über Wifi um Schiffsdaten (AIS, Wind, GPS…) in die App zu integrieren
- Eine überaus logische und intuitive Anwendung, bei einem sehr großen Funktionsumfang
Bei Navionics und bei vielen anderen Apps steht in der Regel die Seekarte im Mittelpunkt. Navionics, Imray oder Delius Klasing zum Beispiel erstellen und liefern ja in erster Linie Seekarten und sind keine App-Entwickler. Die Apps sind dann im Nachhinein entwickelt worden, um die Seekarten auch auf mobilen Geräten nutzbar zu machen. Hier setzt Aqua Map an und stellt die Frage: „Why should the user buy a „closed box“?“. Aqua Map konzentriert sich vielmehr auf die Entwicklung einer perfekten Anwendung für Mobilgeräte, die unterschiedliche Kartendaten und Informationen nutzen kann.
Die integrierten Seekarten entsprechen in der Regel den Daten der nationalen hydrographischen Institute, wobei Aqua Map nicht in die Daten eingreift, indem sie ergänzt oder verändert werden. Zusätzlich gibt es noch eine Option der Überlagerung von Rasterkarten in Gebieten, wo die Datenlage eher dünn ist. Sehr praktisch ist, dass man, solange man Internet-Verbindung hat, die Satellitenbilder mit einem Schieberegler auf der Hauptansicht direkt über die Seekarte legen kann und zwar von leicht transparent bis zu volldeckend. Das ist enorm hilfreich, weil man die Seekarte mit den realen Bildern abgleichen kann. Dass diese Funktion so prominent integriert ist, macht Sinn und wir verwenden sie laufend. Das geht super schnell und sehr direkt. Ausserdem lassen sich (in einem Untermenü) die Daten von Landkarten überlagern, was zur Orientierung auch ganz nützlich sein kann.
Daneben kann man auch Daten von Waterway Guide, ActiveCaptain und Daten aus der Community mit Infos zu Marinas, Dienstleistern, Tankstellen usw. einblenden. Leider gibt es die Daten von Navily nicht, da wurde man sich über die Nutzung nicht einig. Wir blenden aber diese Daten meist aus, da sie ohnehin eher redundant sind und holen uns die nötigen Infos aus der Navily App direkt.
Noch mehr Daten stehen zur Verfügung, wenn man das Upgrade auf Aqua Map Master macht. Man kann dann Meeresdaten wie Wind, Strömung und Wellen auf der Karte anzeigen. Ausserdem bekommt man für jeden Punkt, den man auf der Karte markiert, die Wetterdaten. Das ist für eine Übersicht auf der Karte sehr praktisch, differenziertere Wetterdaten erhält man allerdings über spezifischere Quellen wie Windy. Gezeitendaten sind prinzipiell vorgesehen, für das Mittelmeer fehlen sie allerdings. Diese Funktion gibt es bei Navionics und sie geht uns hier wirklich ab. Vor allem in der flachen Nordadria, wo die Gezeiten ein nicht zu unterschätzender Faktor sind.
Wir haben heuer bei Aqua Map die Seekarte für Italien abonniert, die die gesamte italienische Küste beinhaltet und für ein Jahr € 19,90 kostet, was eigentlich sehr preiswert ist. Die Karten beinhalten im Vergleich zu den jeweiligen Papier-Sportbootkarten und Navionics in etwa die selbe Datenqualität mit kleinen Abweichungen. Das Gebiet ist dann in Kacheln eingeteilt und man lädt immer den jeweiligen Bereich herunter, der dann auch offline zur Verfügung steht. Eine Kachel von etwa 100 x 100 km hat eine Größe von 50-100 MB.Kacheln die man nicht braucht, kann man ganz einfach löschen, um nicht zu viel Speicherplatz zu verbrauchen.
Die Integration von verschiedenen Datenquellen ist ganz allgemein ein sehr großer Pluspunkt der App und wir haben ja gelernt, dass man sich in der heutigen Datenflut keinesfalls auf eine einzige Quelle verlassen soll, weil eben Daten sehr schnell rotieren. In manchen Seegebieten gibt es auch die Anzeige von Wetterbojen, die Infos zu den aktuellen Wetterdaten wie Wind, Welle, Druck usw. liefern. Das ist ebenfalls eine sehr brauchbares Feature, das es aber leider auch im Mittelmeer nicht gibt. Aber grundsätzlich sieht man, dass die App darauf aufbaut, Daten aus unterschiedlichen Quellen zur Verfügung zu stellen und man kann sich dann selbst aussuchen, was auf der Karte angezeigt wird. Wir sind gespannt, was da noch folgen wird.
Vom iPad holt sich die App die GPS-Daten und kann dadurch den Schiffsort und die Geschwindigkeit über Grund und somit die Bewegung des Schiffs und den Track auf der Seekarte darstellen. Um die App allerdings wirklich zu einer Navigationszentrale und Alternative zum Plotter zu machen, kann man die Schiffsdaten aus einem NMEA 2000 Netzwerk integrieren. Je nachdem, welche Daten man zur Verfügung hat, kann man Wind, Tiefe, Geschwindigkeit, Kompass, Rechtvorausrichtung, GPS- und AIS-Daten auf der Hauptansicht darstellen. Dafür braucht man nur ein WIFI-Gateway, also ein kleines Device im NMEA 2000 Netzwerk, das die Daten in ein WIFI-Netzwerk überträgt (bei uns erledigt das unser Cortex Hub). Und wenn man das Tablet mit dem WIFI-Netzwerk verbindet, was sehr schnell erledigt ist, hat man diese Daten auch in Aqua Map zur Verfügung. Das ist wirklich sehr schön, weil diese Daten ja für die Navigation sehr relevant sind. Perfekt ist die Integration der AIS-Daten. Für uns ist das sehr wichtig, da wir oft im Golf von Triest unterwegs sind, wo durch die Häfen von Monfalcone, Triest und Koper ein sehr hohes Verkehrsaufkommen ist. Der Schiffsverkehr wird sehr übersichtlich und klar auf der Karte dargestellt, besser als bisher in jedem anderen Programm.
Natürlich können auch andere Apps Seekartendaten darstellen, um damit zu navigieren. Auch AIS-Daten lassen sich auf anderen Apps integrieren und auch Wetter und Informationen zum Seegebiet stehen zur Verfügung. Und hier kommt nun neben der Vielfalt der Daten, auf die Aqua Map zugreift („Why should the user buy a „closed box“?“.) die ganz große Stärke von Aqua Map ins Spiel.
Und das ist schlichtweg die Anwendung. Aqua Map ist dahingehend die beste App, die ich bisher benutzt habe. Man kennt ja die Mühen, sich durch Menüs zu kämpfen und Funktionen zu suchen, vor allem dann, wenn man sich auf die Navigation konzentrieren muss. Bei Aqua Map hat man das Gefühl, dass die Entwickler Segler sind, die zuerst alles aus der Sicht des Anwenders, also Seglers oder Navigators, sehen.
Die Funktionen und Menüs sind unglaublich logisch und intuitiv aufgebaut. Auf der Hauptansicht mit der jeweiligen Seekarte gibt es ein „Rädchen“, dass seitlich das Hautmenü einblendet, wo man die tieferen Infos und Einstellungen findet. Zusätzlich gibt es noch kleine Icons, die den aktuellen Schiffsort auf der Karte anzeigen, die Kamera aktivieren, eine Messlatte einblenden, den Track aufzeichnen, die Satellitenbildüberlagerung einblenden und zeigen, welche Seekarten abonniert sind und welche Kacheln heruntergeladen wurden. Diese Icons sind recht gut am Screen verteilt. Für andere Funktionen erscheinen, je nachdem was aktiviert ist, kleine Fenster mit den Daten. Da gibt es ein Fenster für den aktuellen Track, eines für die Wetterdaten, eines für Tiefe, Wind, Kompass, eines für die Route und eines für das AIS. Alles sehr übersichtlich aufgelistet.
Wenn man auf die Karte tippt, aktiviert man einen Marker mit einem Pop Up-Fenster, der die Koordinaten des Orts, den Abstand vom eigenen Standort und Informationen zum Ort zeigt. Drückt man auf das Fenster, werden die nautischen Informationen vertieft und mit Wetterdaten ergänzt. Das ergibt dann je nach Ort schon eine sehr gute Übersicht.
Zur wirklich logischen Menüführung, der Navigation in der App und der Übersichtlichkeit kommt dazu, dass man das Kartenbild sehr individuell anpassen kann. Das beginnt bei der Größe und den Farben von Tracks, Schiffen, Symbolen und Routen, der Größe der Symbole, einem variablen Kreis rund um das eigene Boot usw. Natürlich kann man auch das Kartenbild selbst und sogar das Menü anpassen. Sehr hilfreich ist, dass man den Peilstrahl, der den Kurs über Grund, also die GPS-Richtung des Schiffs, anzeigt mit einer Zeitleiste versehen kann. Das sind kleine Querstriche auf der Linie, die den eingestellten Zeitraum darstellen. Hat man z.B. 10 Minuten eingestellt, zeigen die Querstriche, wo man bei gleichbleibender Geschwindigkeit in 10, 20, 30 … Minuten sein wird, das ist extrem hilfreich. Und dass im AIS-Modus die anderen Schiffe wirklich sehr übersichtlich dargestellt sind, habe ich schon erwähnt. Es ist wirklich sehr fein mit dieser App zu arbeiten und zu navigieren. Ich finde immer sehr schnell, was ich brauche und die Infos sind je nachdem, was man nutzt, in kleinen Fenstern mit den wesentlichen Daten angezeigt. Drückt man auf eines der kleinen Fenster, geht rechts eine Spalte mit den weiteren Infos auf. Ich will jetzt natürlich keine Gebrauchsanleitung zu Aqua Map schreiben, denn eine detaillierte Anleitung gibt es und auch ein Tutorial. Ich kann einfach nur wärmstens empfehlen, die App zu testen, was 2 Wochen gratis möglich ist.
Wenn man Aqua Map abonniert, d.h. die Karten für ein Seegebiet kauft oder zusätzlich den Aqua Map Master kauft, den man für Wetter, NMEA 2000-Daten und AIS-Daten benötigt, kann man die App auf 5 verschiedenen Geräten installieren. Wir haben ein iPad Pro beim Navi-Tisch, für eine klare übersichtliche Darstellung, ein iPad mini für das Cockpit und 2 iPhones in Verwendung. Was mir nicht so gut gefällt, ist dann die Vernetzung der Infos, wie Tracks, Markers, POIs usw. Dazu benötigt man einen GEC Account, wo die Daten sozusagen in einem File-Server verwaltet werden. Die Daten muss man dann immer aktiv auf den Server laden und dann wieder auf das nächste Gerät laden. Das ist als Ganzes, weder von der Oberfläche noch der Funktionalität her, nicht sehr elegant gelöst. Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit des Live-Sharing, man wir dann auf der Karte sichtbar und sieht auch andere User, die das wollen. Das haben wir noch nicht wirklich genutzt, aber man kann dann die Mailadresse, Koordinaten und sogar Wind und Tiefe des jeweiligen Teilnehmers sehen. Ausserdem gibt es die Möglichkeit eines Chats. Und man kann auf den Ordner im Fileserver des Aqua Map Buddies zugreifen und Daten in seinem Public Folder sehen. Die Idee dahinter ist natürlich sehr schlau, wenn man sich vorstellt, dass man einen anderen Teilnehmer auf der Karte sieht und dann seine Daten zu Wind und Tiefe sehen kann, mit ihm kommunizieren kann und sogar Daten austauschen kann. Aber der Nutzen dieser Funktion hängt natürlich alleine davon ab, wieviele Teilnehmer das nutzen.
Weiter will ich hier aber nicht mehr ins Detail gehen. Probiere die App einfach einmal aus, gehe durch das Tutorial und entdecke die wirklich tollen Möglichkeiten, die diese App zu einem tatsächlich sehr guten Preis bietet. Klar ist, dass einige Funktionen nur nutzbar sind, wenn man mit dem Internet verbunden ist. Aber Internet an Bord zu vernünftigen Preisen, wo auch immer man unterwegs ist, sehe ich immer näher kommen.