Wenn einen einmal die Leidenschaft am Yachtsport gepackt hat, dann läßt sie so schnell nicht mehr los und der Traum, das Ruder selbst in die Hand zu nehmen will in die Realität umgesetzt werden. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber irgendwo muss man ja beginnen und so habe ich mich mit 3 Freunden vor etlichen Jahren an Bord einer 12 Meter langen Segelyacht eingefunden, um die Geheimnisse des Segelns zu lernen. Wir hatten alle vor kurzem den A‑Schein auf der Jolle gemacht und waren für den nächsten Schritt in Richtung Salzbuckel bereit. Ein erfahrener Skipper und Segellehrer sollte uns nun beibringen, wie man eine Yacht in Küstennähe führt.
Aus irgend einem Grund kam es dann zu Unzufriedenheiten am Ausbildungsplan und es baute sich nach und nach eine gereizte Stimmung auf. Als wir dann den Tag bei dem einen oder anderen Drink im Cockpit ausklingen ließen, wurde aus einer Diskussion zwischen Crew und Skipper ein Streit. Sozusagen eine Meuterei im Wasserglas. Und unser Skipper tat das, was ein Kapitän eben bei einer Meuterei macht, er bestrafte die Crew. “Ihr habt euch umseemännisch verhalten”, waren seine nicht mehr ganz nüchternen Worte und “ich entziehe euch allen den A‑Schein. Als Segellehrer und Prüfer habe ich das Recht dazu.” Damit konnte er die Meuterei tatsächlich im Handumdrehen beenden, denn wir bekamen einen kollektiven Lachanfall, der alle Spannungen auflöste.
Gruppendynamische Prozesse können an Bord durchaus eine Herausforderung sein und wenn man wissen will, wer hier das Sagen hat, reicht ein Blick in das Österreichische Seeschifffahrtsgesetz. Das gilt nämlich an Bord einer Österreichischen Jacht. Unter § 22 sorgt der Gesetzgeber für klare Verhältnisse: Der Kapitän ist für die Ordnung an Bord verantwortlich. Alle an Bord befindlichen Personen haben die Anweisungen des Kapitäns zu befolgen… Und wer den Kapitän mit Drohung oder Gewalt daran hindert, seiner Pflicht nachzukommen, ist mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
Und wenn die Crew auf die Idee kommt, gleich gemeinsam an der Macht des Kapitäns zu sägen, ist das Meuterei im Schiffssdienst. Dafür setzt es dann drei bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Diese alten Hierarchien auf Schiffen, hier der Kapitän, der die Verantwortung trägt und entscheidet, dort die Crew, die sich in Gehorsam zu üben hat, ist also auf einer österreichischen Jacht so vom Gesetzgeber vorgegeben. Aber wir wurden ja schließlich nicht schanghait sondern widmen unsere Freizeit mit großer Leidenschaft und völlig freiwillig dem Segeln. Nötigung, Meuterei, Drohung oder Freiheitsstrafe sind Begriffe, die wir eher dem Seemannsgarn zuordnen als dem Yachtsport. Schließlich verbindet uns ja nicht ein Dienstverhältnis sondern das gemeinsame Hobby.
Dass Meuterei nicht nur in den Geschichtsbüchern existiert, war 2019 aus den Medien zu erfahren. “Wütende Kreuzfahrtschiff-Passagiere meutern”, war da zu lesen. Der Urlaub auf dem Luxusschiff “Norwegian Spirit Liner” ging völlig schief. Wegen schlechtem Wetter konnte die geplante Route nicht eingehalten werden, Landausflüge wurden gestrichen und die Stimmung unter den Passagieren wurde immer schlechter. Dazu kam, dass die Toiletten nicht mehr funktionierten und verdorbenes Essen serviert wurde. Die Passagiere organisierten schließlich eine Meuterei und forderten bei einer Kundgebung im Atrium des Luxusschiffes ihre Rechte ein. Sie hielten selbstgebastelte Schilder mit der Forderung nach Schadensersatz in die Luft und es kam zu Tumulten mit der Crew. Und sie tauften das Schiff kurzerhand von Norwegian Spirt in Norwegian Hell um.
Da hat sich der Kapitän wohl nicht an die Empfehlung eines seiner Kollegen gehalten: “To function efficiently any group of people or employees must have faith in their leader.”. Dieser Rat stammt von William Bligh, Kommandant der Bounty. Seine Crew hatte soviel Vertrauen, dass sie ihn kurzerhand mitten im Ozean im Rettungsboot aussetzten.