Mit den Worten “The ship has reached the shore” beendete am 5. März 2023 die sichtlich erschöpfte aber erleichterte Konferenzleiterin Rena Lee im UNO Hauptquartier in New York die über 20 Jahre dauernde internationale Verhandlungen. Nach einer zweiwöchigen Konferenz und zähem Ringen einigten sich die Delegierten auf ein Abkommen zum Schutz der Biodiversität in der Hohen See.
Natürlich ist das erst einmal ein Sieg auf dem grünen Tisch, aber die Verhandlungen sind beendet und es wird keine Wiederaufnahme oder inhaltliche Diskussionen mehr geben müssen. Nun wird der bahnbrechende Vertrag von Juristen geprüft und in die sechs Amtssprachen der UNO übersetzt. Dann muss er von den einzelnen Staaten ratifiziert werden. Ob China und Russland dabei sein werden ist noch nicht klar, aber erstmals sind sich ein Großteil der Staaten dieser Erde einig, dass wir die Meere dringend schützen müssen. Und da die Ozeane frei sind und niemandem oder allen gehören, geht das nur auf internationaler Ebene.
Die Formel, die beschlossen wurde, lautet 30 x 30, bis 2030 sollen 30% der internationalen Gewässer unter strengen Schutz gestellt werden. Damit will man auch dem drohenden Tiefseebergbau einen Riegel vorschieben und das Meer als Klimaregulator und Artenschützer bewahren und es vor Überfischung schützen. Kurz zuvor haben sogar die im Klimaschutz eher säumigen Amerikaner auf einer Ozean-Konferenz in Panama 20 Milliarden US Dollar für den Meeresschutz zugesagt.
Wir wollen das alles sehr gerne glauben, denn wir lieben das Meer. Optimistisch stimmt, dass sogar Umweltschutz-NGOs das Verhandlungsergebnis nahezu euphorisch bejubeln. Greenpeace bedankt sich bei mir, dass ich ihre hartnäckigen Petitionen immer wieder unterstützt habe und versichert, dass es nicht umsonst war:
“Lieber Herr Scholz”, so schreibt mir Greenpeace, “wir sind außer uns vor Freude! Die Vereinten Nationen haben sich nach zähen Verhandlungen auf ein internationales Hochseeschutzabkommen geeinigt! Fast zwei Jahrzehnte lang haben wir für das Abkommen gekämpft. Gemeinsam haben wir alles gegeben – und jetzt Geschichte geschrieben! Dieses Abkommen ebnet uns den Weg für ein umfangreiches Netzwerk an Meeresschutzgebieten! Das ist ein historischer Moment in der Geschichte des Meeresschutzes!”.
Ich freue mich natürlich auch, aber mit Skepsis. Denn gut einen Monat vor der Konferenz wurde von Brasilien ein unglaubliche Umweltschweinerei begangen. Die brasilianische Marine hat den 63 Jahre alten Flugzeugträger São Paulo schlichtweg im Meer entsorgt. Zuvor war das asbestverseuchte Schiff jahrelang auf den Weltmeeren herumgeirrt nachdem eine umweltgerechte Verschrottung gescheitert war. Um das Übel loszuwerden, hat Brasilien das Wrack ganz einfach in internationale Gewässer geschleppt und auf 4000 Metern Meerestiefe versenkt. Es wäre zu gefährlich, das Schiff wieder in brasilianische Hoheitsgewässer zurückzubringen, hatte man als überzeugendes Argument für diese Aktion parat. Die brasilianische Marine ging natürlich mit der erforderlichen technischen Kompetenz und Sicherheit vor. Eh klar.
Es bleibt nur zu hoffen, dass eine solche Umweltkatastrophe mit Ansage in Zukunft dort landet wo sie hingehört: am internationalen Pranger der UNO in New York. Denn das Meeresschutzabkommen lassen wir uns nicht mehr nehmen.
mar