2005 nahmen drei kreative Köpfe das butterweiche Soft-Rock-Phänomen der 70er aufs Korn – und statt einer harmlosen Parodie erschufen sie einen Mythos, der Seglern wie mir heute den Wind aus den Segeln nimmt. J.D. Ryznar, Regisseur und Autor, Hunter Stair, Schauspieler, sowie Steve Huey, Musikkritiker, hatten eine Idee: eine Webserie, die mit den weichen Hits der späten 70er und frühen 80er abrechnet. Die drei erschufen absurde Szenen, in denen Musiker wie Michael McDonald, Kenny Loggins oder die Jungs von Toto in einer bizarren Seifenopernwelt voller luxuriöser Yachten, überdimensionaler Martinigläser und theatralischer Künstlerkrisen lebten. Die Serie war ein Witz – eine absurde Überzeichnung eines glattpolierten Sounds, der wie gemacht scheint für Menschen, die Segeln lieber aus sicherer Entfernung betrachten. Etwa vom Infinity-Pool einer Marina aus.
Das Skurrile daran? Ihre Serie wurde ernst genommen – viel ernster, als sie je geplant hatten. Denn die auf Channel 101 veröffentlichte Webserie trug einen Namen, der hängen blieb: Yacht Rock. Und plötzlich wurde diese ironische Hommage zum Genrebegriff. Yacht Rock, so entschied die Popkultur, sei der Soundtrack zum Segeln, der perfekte musikalische Ausdruck von Freiheit und maritimem Lifestyle. Ein Irrtum, der sich hartnäckig hält.
Denn wer ernsthaft glaubt, dass Yacht Rock etwas mit echtem Segeln zu tun hat, hat wahrscheinlich nie länger als zwei Minuten auf einer echten Yacht verbracht – es sei denn, sie war fest im Hafen vertäut und die größte Sorge bestand darin, ob der Prosecco kalt genug ist. Tatsächlich war der rebellische Geist des Rock in den späten 70ern und frühen 80ern oft schon lange ausgezogen. Er wurde ersetzt durch perfekt produzierte, massentaugliche Musik. Technisch brillant, musikalisch hochversiert, aber eben auch so glatt, dass keine Kanten mehr übrig blieben. Die Songs, die heute unter den Begriff Yacht Rock fallen, klingen wie der akustische Hintergrund einer Poolparty – schöne Tapete, aber niemals das Zentrum des Raums.
Yacht Rock gibt ein vollkommen falsches Bild vom Segeln. Es reduziert die Erfahrung auf ein Lifestyle-Klischee, bei dem es mehr um schicke Kleidung, teure Boote und Aperol Spritz geht als um das eigentliche Erlebnis: die Kraft der Natur zu spüren, die Elemente zu bezwingen, Eins mit dem Wind zu werden. Stattdessen herrscht in dieser Yacht-Rock-Welt vor allem eines: Windstille. Sowohl musikalisch als auch metaphorisch. Der Soundtrack einer Illusion, der eine romantisierte, kitschige Version des Segelns feiert – fernab jeglicher Realität.
Das Problem daran? Diese Illusion beraubt das Segeln seiner Seele. Es degradiert es zu einem oberflächlichen Statussymbol, bei dem die Yacht zum Lifestyle-Accessoire wird, das in erster Linie schick aussehen muss. Doch Segeln verdient mehr. Segeln ist wild, intensiv, ehrlich. Es hat Ecken und Kanten, genauso wie die Musik, die uns dabei begleiten sollte.
Also, wenn du das nächste Mal in See stichst, lass Yacht Rock an Land. Pack dir echte Segelmusik ein – etwas mit Charakter, das den Wind in den Segeln spürbar macht. Denn Segeln ist mehr als Plastikklänge und musikalischer Champagner.