- Erscheinungsjahr: Belgien, Lettland, Frankreich, 2024
- Länge: 88 Minuten
- Regie: Gints Zilbalodis
- Musik: Rihards Zaļupe, Gints Zilbalodis
„Flow“ ist ein dynamischer, poetischer Animationsfilm, der die Geschichte von Tieren erzählt, die eine von Untergang und Zerstörung geprägte Welt durchqueren. Die Hauptdarstellerin ist eine kleine Katze, die nach einer katastrophalen Flut Zuflucht auf einem führerlosen Boot findet. Bereits an Bord befindet sich ein Wasserschwein, und im Laufe ihrer Reise durch die veränderte Welt kommen weitere tierische Passagiere hinzu. Wer einen typischen Tierfilm erwartet – eine Geschichte, in der Tiere sprechen, lachen und menschliche Verhaltensweisen imitieren – wird in „Flow“ auf eine ganz andere Welt stoßen.
In diesem Film sind die Tiere keine anthropomorphisierten Wesen, die mit uns kommunizieren oder menschliche Emotionen zeigen, sondern schlicht und einfach Tiere, die sich in einer von Wasser und Zerstörung geprägten Welt behaupten müssen. Sie reagieren nicht mit Dialogen, sondern sprechen ihre eigene Sprache der Gesten, Blicke und Körpersprache. Ohne Erzähler handelt es sich hier gewissermaßen um einen Stummfilm. Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Gints Zilbalodis, der gemeinsam mit Rihards Zaļupe die minimalistische Musik komponierte, erklärt dazu schlicht: „Ich habe mich mit Dialogen nie wohl gefühlt.“ Statt Worte gibt es eine leise, atmosphärische musikalische Untermalung, die das Fließen des Wassers und die Bewegungen des Windes begleitet. Diese Musik verstärkt die Stimmung der Einsamkeit und Melancholie, ohne die Spannung aktiv zu treiben.
Die wahre Spannung entsteht durch die Bilder, die uns sofort in einen „Flow“ hineinziehen. Zilbalodis bedient sich eines minimalistischen Designs, das fast abstrakt wirkt. Die Umgebung und die Figuren sind in einem klaren, zurückhaltenden Stil gehalten, der auf überflüssige Details verzichtet. Die Farbpalette in „Flow“ besteht überwiegend aus sanften Blau-, Grau- und Erdtönen, die die Wasserwelt und ihre Düsternis widerspiegeln. Diese Reduktion auf das Wesentliche verstärkt die universelle Symbolkraft des Films und lenkt den Fokus auf die Bewegungen und Handlungen der Tiere.
Die wahre Stärke des Films liegt in der Kameraführung, die stets den Bewegungen der Katze und der anderen Tiere folgt, die immer in Bewegung sind, sowie dem Segelboot und dem Wasser. Die Kamera gleitet oft schwerelos mit den Bewegungen des Wassers oder der Tiere, wechselt zwischen Weitwinkelaufnahmen der Landschaft und subjektiven Perspektiven der Tiere. Trotz dieser dynamischen Bewegungen hat der Schnitt ein sehr langsames Tempo, das den Raum für Reflexion und Interpretation bietet.
Diese Bildsprache lässt uns tief in die Erzählung eintauchen und fordert uns zu eigenen Gedanken heraus, da die Handlung recht einfach ist: Eine gigantische Flut bricht über die Welt herein und überflutet die Landschaft. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe an Tieren – eine Katze, ein Wasserschwein, ein Lemur, ein Golden Retriever und ein Sekretärsvogel – flüchtet auf ein verlassenes, kleines Segelboot, das ein löchriges, rotes Lateinersegel setzt. Sie treiben durch die Fluten, vorbei an Überresten menschlicher Zivilisation, kämpfen ums Überleben und interagieren miteinander. Nach ihrer Odyssee sinkt der Wasserspiegel, und das Land tut sich wieder auf. Doch um alle in Sicherheit zu bringen, braucht es eine dramatische Rettungsaktion, und der Film endet mit dem Spiegelbild der Tiere, die ins Wasser blicken.
„Flow“ ist weniger eine klassische Geschichte als eine Parabel, die Raum für eigene Gedanken und Interpretationen lässt. Die Charaktere der Tiere – die neugierige, unabhängige, flinke Katze, der treue, gutmütige Hund, der verspielte Lemur, der unnahbare Sekretärsvogel und das träge Wasserschwein – bieten ein breites Spektrum an Symbolik. Aber auch das Boot, die Bedrohlichkeit der Natur und die präzise Körpersprache der Tiere tragen zur tiefgehenden Bedeutung bei.
Deutungsmöglichkeiten reichen von einem Leben im ewigen Fluss, von Natur und Vergänglichkeit, der Akzeptanz des Unvermeidlichen bis hin zum Gleichgewicht zwischen Solidarität und Egoismus.
Das war auch das Ziel von Gints Zilbalodis, dem lettischen Regisseur, der uns mit dem zu Recht mehrfach ausgezeichneten „Flow“ auf eine melancholische, nachdenkliche Reise mitnimmt. „Ich lade das Publikum ein, sich in die Erzählung der Geschichte einzubringen. Ich will das Publikum nicht mit dem Löffel füttern und alles erklären“, sagt er selbst über seine Absicht, den Film auf diese subtile, offene Weise zu gestalten.