- Deutscher Titel: Greyhound – Schlacht im Atlantik
- Erscheinungsjahr: USA, 2020
- Länge: 91 Minuten
- Regie: Aaron Schneider
- Musik: Blake Neely
- Darsteller: Tom Hanks (Commander Ernest Krause), Stephen Graham (Lieutenant Commander Charlie Cole), Elisabeth Shue (Evelyn „Evie“ Frechette), Rob Morgan (George Cleveland), Manuel Garcia-Rulfo (Melvin Lopez), Michael Benz (Lieutenant Carling), David Maldonado (Dr. Temme), Jimi Stanton (Lieutenant Harbutt), Matt Helm (Lieutenant J. Edgar Nystrom), Tom Brittney (Lieutenant Watson)
Der Film blendet gleich direkt die Ereignisse im Februar 1942 ein. Schauplatz ist der Atlantik kurz nach dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg. Ein düsterer Soundteppich macht sofort die Dramatik der kommenden Ereignisse fest und eine historische Stimme aus dem Off lässt keinen Zweifel, dass es hier um Krieg geht. “Unsere amerikanischen Handelsschiffe müssen ungehindert unsere amerikanischen Güter in die Häfen unserer Freunde bringen können. Und unsere amerikanischen Handelsschiffe müssen beschützt werden von unserer amerikanischen Navy. Die Hauptlast des Kriegs ist den Seemännern zugefallen.” Unser Blick geht durch die graue Wolkendecke und öffnet sich auf ein amerikanisches Flugzeug, das über einem Schiffskonvoi auf dem grauen dunklen Atlantik fliegt. Unter den Schiffen befindet sich auch die Grayhound.
Greyhound ist der Spitzname der USS Keeling, eines Zerstörers der Fletcher Klasse, der den Geleitzug HX-25, ein Konvoi von 37 Truppen- und Versorgungsschiffen auf dem Weg nach Liverpool sichern soll. HX steht für Halifax und solche Schiffskonvois waren im Zweiten Weltkrieg eine wesentliche Versorgungsroute zwischen Kanada und Großbritannien. Ziel der Nazi-Kriegsführung war es diese Versorgungskonvois mit U‑Booten anzugreifen und möglichst viele Schiffe zu versenken. Die Konvois wurden zusätzlich von Flugzeugen gesichert, die für die an der Meeresoberfläche fahrenden U‑Boote (unter Wasser konnten sie nur angreifen aber nicht mit der Geschwindigkeit der Frachtschiffe mithalten) besonders gefährlich waren. Aber ab einem Punkt endete die Reichweite der Flugzeuge und die Konvois mussten ohne Luftunterstützung weiterfahren, bis sie vor Großbritannien wieder von Flugzeugen empfangen wurden. Dazwischen boten die Schiffe eine gute Zielscheibe für U‑Boote der deutschen Kriegsmarine, die in sogenannten Wolfsrudel angriffen.
Wir blicken immer noch aus der Vogelperspektive auf den Geleitzug HX-25, die Lufteskorte muss umdrehen und wünscht der Greyhound viel Glück bei der Überfahrt. Und der Film schildert im Wesentlichen, nur durch eine Mini-Rahmenhandlung ergänzt, die nächsten 50 Stunden von der Perspektive der Greyhound aus gesehen. Es ist das erste Kommando von Kapitän Krause und schon bald taucht am Radar des hochmodernen Zerstörers ein Nazi-U-Boot auf. Die Fletscher Klasse wurde ab 1941 gebaut und die Schiffe galten mit einer länge von 114 und einer Breite von knapp 12 Metern als sehr schnell und wendig und sehr schlagkräftig bewaffnet.
“Wie durch ein Brennglas betrachtet unser Film die Geschichte der Atlantikschlacht.”, so beschreibt Tom Hanks, der die Hauptrolle des Kapitäns spielt, den Film. Und was wir unter diesem Brennglas sehen, ist ein überaus bemerkenswerter Film, der vor allem durch die Kombination von drei prägenden Stilmitteln einen emotional sehr tiefgreifenden Spannungsbogen aufbaut.
Da ist einerseits die Handlung selbst, die auf dem Roman Konvoi 1943 (eng. The Good Shepherd) von Cecil Scott Forester aus dem Jahr 1955 basiert. Diese ist verblüffend einfach und geradlinig. Wir nehmen sozusagen die Perspektive von Kapitän Krause ein, der das Kommando über die Grayhound und damit über den Schutz des Konvois hat, ein. Wir begleiten ihn und die Mannschaft auf ihrer Fahrt, die sehr schnell zu einer unerbittlichen Schlacht auf dem grauen Atlantik wird. Aber die Handlung wird eher in die Form eines Logbuchs gegossen, das chronologisch verdichtet erzählt als in ein shakespearehaftes Drama, das sich daran macht, menschliche Abgründe zu erkunden. Diese, trotz der der Darstellung dramatischer Erlebnisse wir Krieg, Tod, Kampf, Vernichtung und Apokalypse, doch erstaunlich zurückhaltende, beobachtende und um einen historischen Realismus bemühte Haltung ist eine große Qualität des Films. Dass das Kritikportal Filmdienst genau darin eine Schwäche sieht, indem es konstatiert “Die Inszenierung der Kämpfe sei nicht packend und brutal genug, um die Zuschauer hautnah in die Kampfhandlung hineinzuwerfen.”, ist nicht nachvollziehbar. Dass in Grayhound so gut wie kein Blut fließt, keine Leichenteile durch die Luft fliegen und man nicht Menschen beim Etrinken zusehen muss, ist ja genau seine Stärke, denn es lässt Platz.
Und diesen Platz nimmt mit Tom Hanks als Kapitän Kruse einer der profiliertesten Charakterdarsteller Hollywoods, zweifacher Oscarpreisträger als bester Hauptdarsteller und mit vier golden Globes ausgezeichnet ein. Es besteht gar kein Zweifel, Tom Hanks vermag den Film überzeugend zu tragen. Er gibt uns ausreichend Gelegenheit, seine Gedanken zu lesen. Der Fokus liegt auf dem Kapitän und die anderen Protagonisten bewegen sich um ihn herum. Aber wir blicken hier ja auch auf eine militärische Hierarchie in einer Extremsituation. Dass Kruse ein gläubiger Katholik ist, der gehorsam gegenüber Gott und seinen Vorgesetzten ist und diesen Gehorsam auch von seinen Untergebenen verlangt, macht ihn eigentlich als Charakter erst interessant — Held und Antiheld. Es mag wohl nur eine Anekdote sein, dass Tom Hanks ein entfernter Nachkomme Abraham Lincolns ist, aber der amerikanische Pathos des Films ist im Gleichgewicht und wird von Hanks genauso verkörpert wie infrage gestellt.
Und natürlich müssen die Handlung und der Hauptcharakter in Bilder gegossen werden. Bemerkenswert ist, dass in Grayhound Bild und Filmmusik, ich würde hier eher von Sound reden, eine sehr dichte und einprägende Verbindung eingehen. Verantwortlich dafür ist der amerikanische Komponist und Arrangeur Blake Neely, der dafür auch für den Oskar nominiert wurde. Die Regie führte Aaron E. Schneider und man merkt sofort, dass es ihm um große Bilder geht. Das ist nicht verwunderlich, denn Schneider hat lange als Kameramann gearbeitet und war als solcher unter anderem für Titanic von James Cameron am Werk. Schneider versteht es, eine sehr dichte visuelle Atmosphäre zu schaffen, die es trotz der Darstellung dramatischer Kampfhandlungen zwischen Stahlkolossen schafft, nie in die Actionfilm-Bildsprache abzugleiten. Er geht den Weg eines klaren Realismus, der zu fesseln vermag. Sehr viele Szenen wurden auf der USS Kidd gedreht, die als einziges Schiff der Fletcher Klasse noch im Originalzustand des 2. Weltkriegs als Museumsschiff am Mississippi liegt. Die Schauspieler waren tagelang auf dem Schiff stationiert und wurden militärisch geschult. Die Aufnahmen auf der Kommandobrücke wurden im Studio auf einem Nachbau gedreht, der sich auf einem beweglichen Gimbal befand, der die Schiffsbewegungen simulierte. Dadurch mussten die Schauspieler immer sehr realistisch die Schiffsbewegungen ausgleichen.
Und wo wir schon bei der historischen Realität sind, der Geleitzug HX-25 mit im Film 7 versenkten Schiffen und vier versenkten U‑Booten hat so nie stattgefunden. Der verlustreichste Geleitzug war HX-229, bei dem 1943 13 alliierte Frachtschiffe und ein deutsches U‑Boot versenkt wurden. Insgesamt fielen der Atlantikschlacht fast 100.000 zivile und militärische Seeleute zum Opfer, indem 3.500 Handelsschiffe, 175 Kriegsschiffe und 783 U‑Boote versenkt und 741 Flugzeuge abgeschossen wurden.