Wenn in den 1970er Jahren das pompös romantische Adagio aus dem Ballett Spartacus des armenischen Komponisten Aram Chatschaturjan erklang und ein Kapitän “verfluchter Nordwest, verfluchter” schrie, war es vor dem Fernseher wieder Zeit für James Onedin. Der raue Selfmade-Reeder, ein harter Hund auf See und im Geschäftsleben, prägte unser Bild von der Handelsschifffahrt im 19. Jahrhundert.
Die TV Serie Onedin Line, in welcher James Onedin zwischen 1860 und 1886 von Liverpool aus seine Schiffe mit Waren beladen über die Meere jagt, ist zwar eine Erfindung, gehört aber mit 92 Episoden zu den erfolgreichsten BBC Produktionen. Und die Serie ist in vielen Details bemüht, ein realistisches Bild der Zeit zu zeichnen, wobei die Aussenaufnahmen im Hafen und auf See natürlich viel spannender waren als die etwas theatralisch wirkenden Studioszenen.
Aber wie auch immer, der Seehandel war zu dieser Zeit ein boomendes aber riskantes Geschäft und wurde ausschließlich mit Segelschiffen bedient. Die Schoner, Klipper und Windjammer segelten mit ihrer teilweise gigantischen Besegelung immer am Limit, denn damals war schon Schnelligkeit gefragt. Ein Klipper brachte es immerhin auf 20 Knoten und brauchte im sogenannten Teerennen für die Strecke von England nach China an die 100 Tage. Für die Handhabung der Frachtschiffe war eine ausreichende und gut geschulte Crew notwendig. Ein Viermast-Vollschiff trug immerhin bis zu 32 Segel.
Aber das Dampfschiff war längst zur Konkurrenz für die Großsegler geworden und als die Teutonic der White Star Line als erstes Schiff gänzlich ohne Segel und nur mit Motorantrieb 1898 den Atlantik überquerte. war eine neue Zeit angebrochen.
Heute wird der Seehandel von riesigen Frachtschiffen mit Dieselmotoren dominiert und globale Reedereien (die 7 größten Container-Reedereien) sorgen dafür, dass die globalisierte Wirtschaft nicht ins stottern kommt. Wenn man heute am Meer ein Segel sieht, hat das mit ganz wenigen Ausnahmen nichts mit mehr mit Reedereien und Fracht zu tun. Segeln ist nicht mehr eine Fertigkeit von Matrosen sondern von Hobby-SkipperInnen. Aber die Schifffahrt ist umsomehr angehalten, weniger CO2 auszustoßen und grün zu werden. Und so erinnert man sich wieder alter Tugenden und James Onedin ist wieder zurück.
Das britische Unternehmen BAR Technologies hat nämlich gerade den 80.000 Tonnen schweren Frachter Pyxis Ocean auf die Reise von Singapur nach Brasilien geschickt. Und das 229 Meter lange Schiff trägt zwei riesige Masten mit Segel dran, die durch die Windkraft bis zu 30% Treibstoff sparen sollen.
Die Pyxis Ocean würde James Onedin allerdings nicht gefallen, sie ist nämlich ausnehmend häßlich. Die Masten sehen aus wie große Kartoffelsilos und die Segel wie abgebrochene Flügel von einem Windrad. Zu TV- Ruhm wird es die Pyxis Ocean also vermutlich nicht bringen. Aber die Technik dahinter ist allemal faszinierend und jeder Weg weg von Öl ist ein guter.
Doch James Onedin werden wir bald eh nicht mehr brauchen, denn das 95 Meter und 749 Tonnen schwere Containerschiff Suzaku hat ebenfalls vor kurzem erfolgreich seine Jungfernfahrt absolviert. Es ist völlig autark, ohne menschliches Zutun 750 Kilometer weit durch ein stark befahrenes Seengebiet navigiert. Dazu braucht es keinen Kapitän mehr, der mit dem Sextanten in der Hand “verfluchter Nordwest, verfluchter” ruft.
Grund genug, sich wieder einmal alle 8 Staffeln der Onedin Line anzusehen!