- Erscheinungsjahr: Schweden, Vereinigtes Königreich, USA, Frankreich, Griechenland, Deutschland, 2022
- Länge: 147 Minuten
- Regie: Ruben Östlund
- Besetzung: Harris Dickinson (Carl), Charlbi Dean Kriek (Yaya), Woody Harrelson: Kapitän Thomas Smith
- Dolly de Leon: Abigail
- Zlatko Burić: Dimitry
- Iris Berben: Therese
- Vicki Berlin: Paula
- Henrik Dorsin: Jarmo
- Jean-Christophe Folly: Nelson
- Amanda Walker: Clementine
- Oliver Ford Davies: Winston
- Sunnyi Melles: Vera
Ruben Östlunds Triangle of Sadness ist eine wilde, oft erschreckend lustige Satire, in der der Regisseur erneut seine Fähigkeit unter Beweis stellt, Gesellschaftskritik mit schwarzem Humor und einer Prise Absurdität zu verbinden. Für diese brillante Mischung wurde der Film 2022 mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet. Doch Östlund bietet nicht nur ein böses Kammerspiel einer dekadenten Luxusgesellschaft, sondern auch maritime Extravaganzen: ein Kreuzfahrtschiff als Hui Clos, ein saufender Kapitän, ein Sturm, eine grandiose Kotz-Orgie, ein Schiffsuntergang und eine einsame Insel.
Die Geschichte beginnt mit Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean), einem Model-Paar, das sich auf eine luxuriöse Kreuzfahrt begibt, organisiert von einem reichen, aber blind vor seiner eigenen Arroganz agierenden Unternehmer. Das Kreuzfahrtschiff, auf dem sich die Geschichte entfaltet, wird nicht nur zum Schauplatz des Geschehens, sondern auch zu einem Symbol für den dekadenten Konsumismus und den grotesken Überfluss, der die moderne Oberschicht prägt. An Bord sind die Eliten der Gesellschaft: reiche Unternehmer, prominente Influencer, korrupte Politiker und ihre privilegierten Partner. Ihre Welt dreht sich um Luxus, oberflächliche Gespräche und das ständige Streben nach Ansehen und Status. Hier ist die Kleidung teurer als der Wert eines kleinen Hauses, und der Verzicht auf Komfort wird als persönliches Scheitern betrachtet.
Der Wendepunkt des Films kommt, als ein schwerer Sturm das Schiff erfasst und es schließlich sinkt. Doch bevor es dazu kommt, erleben die Passagiere eine überbordende Kotz-Orgie. Wer dachte, er wisse, was Seekrankheit anrichten kann, hat diesen Film noch nicht gesehen. In einer Kettenreaktion von Übelkeit verlieren die Passagiere und Crewmitglieder die Kontrolle über sich und wir erleben eine groteske Mischung aus Würgen, Erbrechen und körperlichen Reaktionen. Diese Szene ist sowohl ekelerregend als auch komisch – besonders, weil uns die Erfahrung von Seekrankheit auf den Ozeanen nicht fremd ist. Doch diese grausigen Bilder sind kein Selbstzweck. Östlund nutzt die groteske Darstellung von Übelkeit, um auf humorvolle Weise die Instabilität der wohlhabenden Welt zu entlarven und den direkten Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Überfluss und der Zerbrechlichkeit menschlicher Zivilisation herzustellen.
Nach dem Untergang stranden die Überlebenden auf einer abgelegenen Insel. Hier kippt die soziale Struktur radikal. Die Passagiere, die sich zuvor auf ihre gesellschaftliche Stellung und ihren Reichtum verlassen haben, sind plötzlich auf ihre Überlebensfähigkeiten angewiesen. Zu diesem Zeitpunkt übernimmt Abigail, eine einfache Reinigungskraft vom Schiff, die Führung. Sie ist eine der wenigen Überlebenden, die in der Lage ist zu jagen, Feuer zu machen und die anderen zu organisieren – eine Fähigkeit, die sie zur neuen Anführerin der Gruppe macht. Die ehemals privilegierten Passagiere, die auf Luxus und soziale Stellung angewiesen waren, sind nun in der Position, von Abigail abhängig zu sein. Diese Umkehrung der Rollen ist sowohl ironisch als auch tiefgründig, da sie die Zerbrechlichkeit von gesellschaftlichen Hierarchien und den Mythos von Wohlstand und Macht hinterfragt.
Triangle of Sadness ist eine geniale Satire, die, wie es sich für das Genre gehört, alle Elemente überzeichnet. Sie zerlegt vor dem Bild einer maritimen Hochglanzwelt und einem dramatischen Schiffsuntergang eine Selfie-Gesellschaft, die uns zwar surreal erscheint, aber bei näherer Betrachtung erschreckend real wirkt – vor allem im Kontext von Social Media und der Suche nach oberflächlichem Ruhm. Die grandiosen Bilder sind überzeichnet, die Dialoge unterhaltsam absurd, und die Charaktere sind traurige Witzfiguren. Carl und Yaya, die symbolisch für die Influencer-Generation stehen, zeigen nicht nur geistlose Oberflächlichkeit, sondern auch tiefe Unsicherheit und Selbstzweifel. Dimitry, ein russischer Oligarch, verkörpert auf beeindruckende Weise Überheblichkeit und moralische Fragwürdigkeit, was Zlatko Burić meisterhaft in einer Mischung aus Groteske, Komik und Provokation darstellt. Der Kapitän Thomas Smith, ein zynischer Alkoholiker, offenbart seine Abneigung gegenüber den Gästen und seine politische Resignation immer deutlicher. Woody Harrelson, ein Meister des trockenen Humors und zynischer Antihelden, ist wie geschaffen für diese Rolle.
Neben den überzeichneten Charakteren gibt es eine beeindruckende Darstellerin, die das Zentrum des Films bildet: Dolly de Leon als Abigail. Sie spielt die Toilettenmanagerin auf dem Kreuzfahrtschiff, die auf der Insel zur Anführerin wird. Ihre Rolle ist weit komplexer und menschlicher als die der anderen Figuren – ein bemerkenswerter Kontrast zu den oft grotesken, übertriebenen Darstellungen rund um sie. Sie ist der wahre Star des Films, da ihre Charakterentwicklung eine unerwartete Tiefe aufweist.
Ein weiteres wichtiges Element des Films ist das Schiff selbst, Venus. Die Dreharbeiten fanden auf der legendären Christina O statt, einer 1950er-Jahre-Yacht, die für Aristoteles Onassis gebaut wurde und einst Gäste wie Maria Callas, Jackie Kennedy, Winston Churchill, John Wayne und Frank Sinatra beherbergte. Sie ist der perfekte Ort, um das Bild der dekadenten, aristokratischen Welt zu zeichnen, die im Film ins Wanken gerät. Und auch die einsame Insel, auf der die Überlebenden stranden, existiert tatsächlich. Es handelt sich um die kleine, unbewohnte griechische Insel Chiliadou im Ionischen Meer.