- Erscheinungsjahr: Australien, 2023
- Länge: 109 Minuten
- Regie: Sarah Spillane
- Musik: Nick Wales
- Darsteller: Teagan Croft (Jessica Watson), Alyla Browne as (junge Jessica Watson), Cliff Curtis (Ben Bryant), Anna Paquin (Julie Watson), Josh Lawson (Roger Watson), Bridget Webb (Emily Watson), Vivien Turner (Hannah Watson), Stacy Clausen (Tom Watson), Todd Lasance (Craig Atherton)
Genau drei Tage vor ihrem 17. Geburtstag kam Jessica Watson mit ihrer 34 Fuss Yacht Ella’s Pink Lady im Hafen von Sydney an, und wurde von 80.000 Menschen jubelnd empfangen und als Heldin gefeiert. Die junge Australierin umsegelte in 210 Tagen die Welt und war somit die jüngste nonstop Einhand Weltumseglerin der Geschichte.
Die australische Netflix-Produktion True Spirit hat nun die Geschichte rund um Jessica Watson und ihr einmaliges Abenteuer in einem Biopic auf die Leinwand gebracht. Herausgekommen ist ein Film, der sehr tief in die pinke Welt von Jessica eintaucht, der stellenweise wie ein Märchen erzählt wird, der die großen Emotionen der jungen Seglerin gekonnt in Bilder setzt und der auch die Kontroversen rund um das Projekt nicht ausblendet. Wer sich ein klirrend realistisches Segeldokudrama erwartet, ist hier wohl im falschen Film. Wer sich auf die berührende Reise eines mutigen Mädchens, das sich mit sich selbst und der Welt messen will, mitnehmen lassen will, darf für 109 Minuten in ihre fesselnde Welt eintauchen. Dass sich der Film nicht an den Linien der Realität bewegt, sondern seine eigene Welt erschafft, in der auch Platz für Kitsch, Stereotypen und große Gefühle ist, zeichnet ihn tatsächlich aus. Durch die fiktionale Ebene, die über die Geschichte gelegt wird, bleibt uns zum Schluss ja nur die überraschende Erkenntnis, dass dieses unglaubliche Märchen wahr ist.
Und Jessica Watson, danach befragt, was sie am Film als besonders real befand, bringt es auf den Punkt: “Der Film hat das Wesentliche meiner Geschichte erfaßt. Er stellt den wahren Helden in den Mittelpunkt: dieses kleine Boot. Das bedeutet mir sehr viel.”.
Der Regisseurin und Mitdrehbuchautorin Sarah Spillane muss man hier auch großes Lob dafür aussprechen, dass sie sich eben nicht in jedem Moment an den realen Bildern mißt, denn daran könnte man ja nur scheitern, weil es sie eben schon gibt. Das liegt daran, dass die Weltumsegelung von Jessica Watson sehr große mediale Aufmerksamkeit hatte. Es gab eine öffentliche Kontroverse darüber, wie verantwortungslos es ist, einen 16-jährigen Teenager dabei zu unterstützen, eine Weltumsegelung zu machen. Die Rolle der Eltern, der Behörden, der Sponsoren und des Betreuerteams wurde immer wieder heftig kritisiert. Sogar eine australische Gesetzesänderung stand zur Diskussion. Und wie es bei Jessicas Ankunft richtig formuliert wurde: Jessica hat zwar die Welt umsegelt, Führerschein darf sie allerdings noch keinen machen. Mit dem Fortschritt der Reise wurde aus dem verantwortungslosen Teenager in den Medien immer mehr die Heldin, die Menschen inspiriert, weil sie ihre Träume gegen den Widerstand der Erwachsenen-Welt verwirklicht. Zusätzlich hat Jessica Watson auch einen Videoblog während der Weltumsegelung gemacht und viele Bilder und Stories live von ihrer pinken Yacht gesendet. Ein sehr schöner Kunstgriff von Sarah Spillane ist es, dass sie uns nach dem Ende des Films, also der Ankunft in Sydney noch minutenlang, sozusagen als Epilog, ganz viele Bilder der realen Reise nachliefert. Hier haben wir den Reality Check gleich direkt vor Augen.
Im Film ist Jessicas soziales Umfeld auf mehrere Prototypen reduziert. Ihre Familie mit den Eltern, die zwischen Bedenken und Enthusiasmus hin und her schwenken und abwechselnd die Weltumsegelung immer wieder in Frage stellen. Ihre Geschwister, die uns immer wieder vor Augen halten, dass wir uns hier in der Welt einer 16-Jährigen befinden. Der kauzige, etwas verbitterte Segler Ben Bryant, der Jessica auf die Realität da draussen auf dem Ozean vorbereitet. Und der TV-Reporter Craig Atherton, der sozusagen die sensationsgierige Medienwelt verkörpert. Und natürlich spielt die pinke Yacht eine tragende Rolle. Vergleicht man diese mit dem Original, so gibt ein paar Unterschiede, im wesentlichen sind Filmschiff und Original sehr ähnlich.
Das Original ist eine S&S 34, eine von Sparkman & Stephens 1968 designte, schnelle und sehr seetüchtige Yacht. Mit diesem Modell wurden schon einige Weltumsegelungen gemacht.
Und da wären wir auch schon bei der Darstellung der Weltumsegelung selbst. Ich habe bisher wenige Filme gesehen, wo die Szenen auf See eine so nachvollziehbare Stimmung vermitteln. Ob in der Kajüte, im Cockpit oder an Deck: die Perspektiven und vor allem die Bewegungen, die ja am Schiff immer da sind, wirken sehr authentisch. Besonders geglückt sind die Überhöhungen von besonders schönen und besonders dramatischen Momenten. Wenn Jessica in ein Meer von Sternen am Südhimmel schaut, wirkt das wie ein Traumbild. Wenn ihr Schiff nach der Kenterung unterzugehen droht, wirkt das wie ein Bild aus einem Alptraum. Beides ist keineswegs realistisch, aber Jessica mag es so erlebt haben. Dazwischen liegen die schönsten Bilder des Films, wenn Jessica bei perfektem Wind elegant ihrem Ziel entgegenrauscht und von Delphinen und Walen begleitet wird. Für solche Momente segeln wir.
Was auf jeden Fall sehr eindringlich transportiert wird, ist die grandiose Leistung der Seglerin. Und diese wird von der jungen australischen Schauspielerin Reagan Croft perfekt dargestellt. Neben Croft ist auch die Leistung des neuseeländischen Schauspielers Cliff Curtis herausragend, der ehrliche, kantige, etwas verbitterte einsame Seevagabund ist ihm wie auf den Leib geschnitten. Und Jessicas kleine Schwester, dargestellt von Vivien Turner, sorgt immer wieder für entzückend komische Momente. Ebenso beachtlich ist Alyla Browne, die in Rückblenden Jessica Watson als Kind darstellt.
Es gibt übrigens ein sehr schönes Interview mit Jessica Watson und Segellegende Wilfried Erdmann, wo Erdmann auf Jessicas zarten Oberarme hinweist und sie fragt, ob ihr nicht beim Segeln manchmal die Kraft gefehlt hat. Nein, meinte Jessica, sie war immer schon zart und eher schwach und habe das ganz einfach dadurch ausgeglichen, dass sie alles langsamer und ruhiger gemacht hat. Kraft sei das letzte was ihr gefehlt hätte. Zum Glück segeln immer mehr Frauen.
Und zum Schluss gibt es noch einen Empfehlung von Jessica Watson für den Film: “You have all the fun and all the trouble, without any responsibility.”.