Bei aller Kritik an den Giganten der sozialen Medien, so muss ich doch einräumen, dass mir YouTube schon oft sehr nützlich war. Seit Jawed Karim, einer der drei Gründer von YouTube, am 23. April 2005 das erste, 19 Sekunden lange Video mit dem Titel „Me at the Zoo“ hochgeladen hatte, fanden derart viel Hobby-Spielbergs das Motto „broadcast yourself“ so lustig, dass YouTube mit inzwischen 2,5 Milliarden Nutzern weltweit zu einer der mächtigsten Plattformen im Netz wurde. Darunter sind glücklicherweise auch viele SeglerInnen.
Segeln ist ja eine komplexe Materie und wenn mich etwas beschäftigt, schaue ich nach, ob mir das nicht jemand auf YouTube sinnvoll erklären kann: Vom richtigen Ankern, dem sicheren Abfeuern von Leuchtraketen bis zum Auswechseln des Ölfilters bei unserem Volvo Penta D1-30. Denn Segler helfen sich gerne gegenseitig und teilen großzügig ihre Erfahrungen. Und was kann einem besseres passieren, als dass ein Segler das Refit des gleichen 30 Jahre alten Yachtmodells mit zahllosen Videos auf YouTube akribisch dokumentiert, Und so ist Youtube eben auch eine Art Schulfernsehen von und für SkipperInnen. Dazu kommt, dass Ausrüster, Segelschulen und Magazine oft sehr professionell gemachte How-To-Videos bereitstellen. Die Krot in Form von nerviger Werbung muss man da eben fressen.
Aber YouTube ist längst keine simple Platform zum Austausch von Interessen mehr sondern ein Ökosystem, das man als YouTuber dazu nutzen kann um Geld zu verdienen. Das hat inzwischen auch viele SeglerInnen auf den Plan gerufen. Das geht so: man inszeniert sich selbst, produziert professionelle Videos und wird dann von YouTube bezahlt, wenn die Inhalte auf Interesse stoßen. Der Gedanke ist schon gut, dass man sich dabei filmt, wie man seinen Traum auf See verwirklicht und damit seinen Traum finanziert. Und inzwischen gibt es nicht gerade wenig Segelgetümmel im YouTube Ozean. Dabei spannt sich der Bogen von durchaus packenden Dokumentationen bis zur Soap Opera. Manche sind liebenswert chaotisch, bei anderen merkt man sofort die Absicht, sich das Hobby mit marketingtechnischem Geschick finanzieren zu wollen.
Der Haken dabei ist, dass man viele Views und Klicks generieren muss, um Geld zu verdienen. Das ist harte Arbeit, denn die Konkurrenz ist inzwischen groß und Klicks sind eine sehr harte Währung. Da reicht es nicht mehr, damit zu langweilen wie mühsam die Sanierung des Unterwasserschiffs ist oder wie dramatisch ein Motorausfall bei Null Knoten Wind und blauem Himmel ist. Auch die Tatsache, dass einem in der Nacht das Dinghy abhanden gekommen ist, ist nicht abendfüllend. Es braucht schon gute Stories, perfekte Kameraführung, Schnitt und Ton und man muss ein Schauspieltalent mitbringen und den absoluten Willen zur Selbstinszenierung.
Dass es durchaus gelingen kann, zeigen die Australier Riley Whitelum and Elayna Carausu, die mit ihrem Kanal „Sailing La Vagabounde“ seit 9 Jahren höchst erfolgreich sind. Die beiden sind die Stars der Segel Youtuber und haben vorgemacht, wie es geht. Sie verstehen es, nicht nur mit einem coolen Lebensgefühl von Freiheit, Abenteuer und Romantik zu fesseln sondern sind auch in der Vermarktung ihres Channels sehr professionell. Sie kennen den Wert ihrer 1,8 Millionen Follower und wissen ihn in Werbewert zu verwandeln. Immerhin sind sie seit neun Jahren unterwegs und haben über 400 Videos hochgeladen. Praktisch jede Woche ein neues, perfekt gemachtes Filmchen. Und dazwischen haben sie auch noch die Geburt von zwei Kindern untergebracht.
Ich schaue mir ja auch ganz gerne an, was andere SeglerInnen so erleben, aber die Inszenierung der beiden, inklusive Nachwuchs, war mir dann doch zuviel.
Und offenbar nicht nur mir, denn vor Kurzem war die Anstrengung eines permanenten Lebens vor der Kamera doch zu groß und Riley erzählte uns vor laufender Kamera, dass Elayna Panikattacken, uncharakteristische Depressionen und unkontrollierte Weinanfälle hätte. Und Elayna brauchte es so auf den Punkt: „We have been living for our channel for the last nine years. I don‘t want to live for our channel anymore, I want to live for me. That‘s hard because we turned our job into our lifes and our lifes into our jobs. And I think we cant‘t seperate this – this is exhausting.“.
Wenn man die Intensität bedenkt, mit der das Paar ihren Youtube Channel rund um ihr Leben auf einem Segelboot aufgebaut hat, kann man diesen Endpunkt gut verstehen.
Und wie Kevin Kostner meint: „Für mich muss ein Film nicht unbedingt ein Happy End haben. Er muss nur ein Ende haben, das man versteht.“.
mar