Eine erzwungene Isolation ist für viele von uns leider im Pandemiealltag zur Realität geworden. Viele mußten eine Quarantäne in den eigenen vier Wänden absitzen, einige waren auf ihren Yachten gefangen und durften nicht an Land. Das ist doch für die meisten eine neue Erfahrung.
Zumindest in der Kunst hat dieses Thema jedoch eine lange Tradition. Robinsonade nennt man Erzählungen über einen, auf einer einsamen Insel gestrandeten Menschen, der gegen die Isolation, die Natur und die Verrohung kämpft. Namensgebend war die fiktive Romanfigur Robinson Cruseoe aus Daniel Defoes Werk von 1719, das einen eher üppigen Titel trägt: „Das Leben und die seltsamen überraschenden Abenteuer des Robinson Crusoe aus York, Seemann, der achtundzwanzig Jahre allein auf einer unbewohnten Insel an der Küste von Amerika lebte, in der Nähe der Mündung des großen Flusses Orinoco; durch einen Schiffbruch an Land gespült, bei dem alle außer ihm ums Leben kamen. Mit einer Aufzeichnung, wie er endlich seltsam durch Piraten befreit wurde. Geschrieben von ihm selbst.“
Der Titel erklärt ja schon einiges und die Geschichte ist uns wohlbekannt, denn der Stoff wurde nicht nur ein Welterfolg, sondern auch in zahlreichen Bearbeitungen neu interpretiert. Robinson ist ein edler Mensch, der eine, vom Wrack gerettete Bibel zum Leitfaden seines Denkens und Handelns macht. Er kämpft ums Überleben in der Wildnis und gegen die Vereinsamung. Seine Insel ist kein Paradies, sondern er muss hart für sein Überleben arbeiten und viele Fertigkeiten erlernen. Und er rettet sogar einen Wilden vor Kanibalen. Diesem gibt er den Namen Freitag und erzieht ihn zu einem treuen Diener und braven Christen. Das fesselnde Abenteuer mit hohen moralischen Absichten ist inhaltlich ein wahres Kind der Aufklärung.
Aber Robinson hat nicht nur viel Nachahmer gefunden, sondern er hat auch einen ganz realen Vorgänger, auf dessen wahre Geschichte sich Defoe bezieht.
Alexander Selkrik (1676 — 1721) war der Sohn eines schottischen Schuhmachers, der als Seemann anheuerte, weil er an Land aufgrund von Alkoholismus und Schlägereien doch recht oft mit dem Gesetz in Konflikt kam. Als dass Schiff namens Cinque Ports auf der unbewohnten Isla Más a Tierra vor der chilenischen Küste landete, weigerte sich Selkrik, an Bord zu bleiben, da er an der Seetüchtigkeit des Schiffes zweifelte. Als er merkte, dass er mit seiner Meinung alleine dastand, soll er der Legende nach ausgerufen haben: „Ich habe es mir anders überlegt!“. „Ich aber nicht,“ entgegnete der Kapitän und ließ ihn mit einer Muskete mit Schießpulver und Kugeln, Tabak, Feuerstein, Kleidung, einem Beil, einem Messer, einem Kochtopf und einer Bibel zurück. Vier Jahre und vier Monate überlebte er, unter Einsamkeit und Depressionen leidend, auf der Insel, bevor er vom britischen Kaperschiff Duke unter Kapitän Woodes Rogers gerettet wurde. Rogers veröffentlichte 1712 ein Buch mit seinen Reiseberichten, in welchem er auch die Geschichte Selkirks erzählte. Und diese diente eben Defoe als Vorlage für seinen Robinson. Die einsame chilenische Insel heißt heute übrigens „Robinson Crusoe“ und hat 926 Einwohner.
Und neben den zahllosen Robinsonaden, Robinson Verfilmungen, Parodien und Zitaten, sogar eine Hotelkette hat sich Club Robinson genannt, gibt es auch echte Nachahmer.
Der bald Achtzigjährige Australier David Glasheen hatte Millionen an der Börse und mit Immobilien verdient, bevor er 1987 sein ganzes Vermögen am „Black Monday“ verlor. Von seiner Familie verlassen, ging es schnell bergab. Dann fand er eine einsame Insel, die er mit seinem letzten Geld pachtete und auf der er seit mehr als 20 Jahren einsam und bescheiden in einer Hütte lebt. Viele Besitztümer hat er nicht, das meiste ist angespülter Schrott, den er umfunktioniert. Sogar solarbetriebenes Internet hat er sich organisiert und er ist online am Aktienmarkt aktiv. Die Insel und die Notwendigkeit, zu überleben, waren seine Rettung vor dem Abstieg.
Nur eine Frau Freitag hat er zu seinem Leidwesen auf der Insel nicht gefunden.