irgendwann ist land in sicht – dann sollte man wissen, was man dort macht!

Bora Muse­um

Das Bora Museum in Triest ist mehr eine Wunderkammer als ein Museum. Rino Lomabrdi hat die Sammlung zusammengetragen und führt in einer überraschenden, erstaunlichen und wundervoll authentischen Führung durch das Windmuseum.

Nichts deu­tet in der klei­nen Via Bel­pog­gio im ele­gan­ten jose­phi­ni­schen Vier­tel von Tri­est auf ein Muse­um hin. Da das Museo Bora  kei­ne offi­zi­el­len Öff­nungs­zei­ten hat, muss­ten wir per Email einen Besuchs­ter­min ver­ein­ba­ren und war­ten nun vor dem Haus auf Num­mer 8. 

Aber Rino Lom­bar­di, der Erfin­der des Muse­ums, läßt nicht lan­ge auf sich war­ten, öff­net das Haus­tor und führt uns gleich links ins Muse­um, oder eigent­lich ins Maga­zzi­no dei Ven­ti, also das Lager der Win­de. Wir neh­men auf einer Bank in der Mit­te des etwa 55qm gro­ßen Raums platz und stau­nen. Bis auf das letz­te Eck ist die Schau­kam­mer mit Kurio­si­tä­ten gefüllt, Objek­te hän­gen von der Decke, Bücher sta­peln sich, Bil­der fül­len die Wän­de, Käs­ten ver­ber­gen Sammlungsstücke. 

Kurz wer­den die sprach­li­chen Gege­ben­hei­ten abge­klärt und Herr Lom­bar­di beginnt mit sei­ner Füh­rung auf Eng­lisch, das er immer wie­der mit ita­lie­ni­schen, deut­schen und fran­zö­si­schen Sprach­fet­zen präzisiert.

Der Zünd­fun­ke für das Pro­jekt waren Dosen mit gefüll­ter Luft wie es sie in man­chen Städ­ten als Sou­ve­nir gab. Doch Rino Lom­bar­di woll­te nicht bloß Tri­es­ti­ner Luft in Dosen ein­fül­len, son­dern die Bora, eine Urge­walt, einen der unbän­digs­ten Win­de der Welt. Die Bora in Sca­to­la wur­de so zum Aus­lö­ser, dem Wind ein Muse­um zu widmen. 

Und kein Ort ist für ein sol­ches Muse­um bes­ser geeig­net als Tri­est, denn obwohl die Bora an der gan­zen ost­adria­ti­schen Küs­te vor­kommt, ist sie hier eine Insti­tu­ti­on. Nicht umsonst ist Tri­est die Città dei Ven­ti, die Stadt der Win­de. Der Gott der Nord­win­de kann hier mit bis zu 250 kmh los­le­gen, aber man begeg­net ihm hier nicht mit ängst­li­cher Ehr­furcht son­dern mit respekt­vol­ler Gelas­sen­heit, bis­wei­len sogar mit Heiterkeit. 

Die Bora ist ein tro­cke­ner, kal­ter und extrem böi­ger Fall­wind, der ent­steht, wenn pola­re Kalt­luft aus nörd­li­cher bis nord­öst­li­cher Rich­tung in die adria­ti­sche Küs­ten­re­gi­on strömt. Über die Gebirgs­päs­se stürzt sich die­se dyna­mi­sche Luft­mas­se dann in die Adria, wobei sie enorm an Geschwin­dig­kei­ten aufnimmt.

Kein Wun­der also, dass die Bora unter Seg­le­rIn­nen gefürch­tet ist und wie ein Damo­kles­schwert über jedem Segel­törn hängt. Ob, wann und wie stark die Bora wehen wird, ist hier die grund­le­gen­de Fra­ge, bevor man den Hafen ver­läßt. Denn wenn man auf See die ers­ten Anzei­chen für die Bora erkennt, blei­ben noch 30 Minu­ten, bis sie loslegt. 

Wobei sie nicht über­all gleich prä­sent ist, son­dern sich an beson­de­ren geo­gra­fi­schen Schnei­sen den Weg vom Hoch­land zum Meer sucht. Dubrov­nik, Split, Senj, der Kvar­ner Golf, Rije­ka und natür­lich beson­ders Tri­est gehö­ren zu den Borahochburgen.

Womit wir wie­der zurück in der Via Bel­pog­gio und Herrn Lom­bar­dis zau­ber­haf­tem Wind­la­ger sind, das als Modell für das gro­ße Bora-Muse­um sei­ner Träu­me dient.

In acht Sek­tio­nen hat er sein Muse­um ein­ge­teil, von der Wis­sen­schaft, über Kurio­si­tä­ten, Doku­men­ten bis hin zum Expe­ri­ment und dem Spie­len mit dem Wind. Und da ja räum­lich nicht viel Platz im Maga­zzi­no dei Ven­ti ist,  Herrn Lom­bar­dis Phan­ta­sie aber kei­ne Gren­zen gesetzt sind, führt er uns in einer wun­der­vol­len Per­for­mance durch die Samm­lung und läßt uns stau­nen.
Wo und wann die Bora ent­steht, zeigt er uns im wis­sen­schaft­li­chen Eck, gefüllt mit Büchern, Dia­gram­men und alten Instru­men­ten. Wel­che Aus­wir­kun­gen die Bora auf die Tri­es­ti­ner hat, erle­ben wir anhand von Auf­nah­men des Win­des und den Geräu­schen, die er ver­ur­sacht. Die gan­ze Stadt ist eine ein­zi­ge Kako­pho­nie in der  an Schlaf nicht zu den­ken ist, denn die Bora pfeift durch  jede Rit­ze, die Böen kom­men durch die Kami­ne, sogar in den moder­nen Wohn­blocks mit Isolierglasfenstern.

Signor Lom­bar­di erzählt uns von den zahl­rei­chen Lite­ra­ten, die in Tri­est gelebt und geschrie­ben haben und für die es schwer war, sich an die­sen Wind zu gewöh­nen. Wie etwa der fran­zö­si­sche Schrift­stel­ler Stendhal, der sein Unbe­ha­gen nicht ver­ber­gen konn­te: “Ges­tern wur­de ich vier Schrit­te weit geschleu­dert. Es braucht schon Mut genug, wenn man kata­la­ni­schen Räu­bern über den Weg läuft, aber, mei­ne Her­ren, die­ser Wind ver­dreht mir die Eingeweide.“.

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LA LEGGENDA DELLA BOREA

Doch wie die meis­ten Tri­es­ti­ner  liebt Rino Lom­bar­di die Bora. Hier wird man mit der Bora gebo­ren, hat Spaß mit ihr. Beim Segeln oder wenn man dem Spek­ta­kel zusieht wie Men­schen mit der Bora rin­gen, um bald das nächs­te Opfer zu sein.
Herr Lom­bar­di öff­net sei­ne Schub­la­den, Schrän­ke und Alben, um den lie­be­vol­len Umgang mit der Bora zu zei­gen. Eine Samm­lung an alten Fotos, die zei­gen wie es Men­schen im Wind ver­biegt und die­se gegen den Wind kämp­fen und die wie aus einem Slap­stick-Film wir­ken. Oder die Post­kar­ten von Tri­es­ti­ner Gra­fi­kern im Comic­stil gezeich­net wur­den und zei­gen, wie die Bora in Tri­est zu Gast ist, und klei­ne Comic­fi­gu­ren durch die Luft wir­belt.
Bevor die Bora kommt, spie­len die Leu­te etwas ver­rückt, aber sie bringt auch Ange­neh­mes mit sich. Die glas­kla­re, küh­le Luft fegt die feucht­war­me medi­ter­ra­ne Luft weg und mit ihr die Abga­se der Autos und Fabri­ken. Die Luft ist so klar, daß die scharf sicht­ba­ren Gebirgs­zü­ge der Dolo­mi­ten am Ufer zu ste­hen schei­nen, die Stadt atmet tief durch.
Ja sogar das Meer atmet, wenn näm­lich die Böen im Golf von Tri­est fast senk­recht ins Meer schie­ßen und die­sem eine Sauer­stoff­kur verpassen.

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Und schließ­lich bekom­men wir eine Samm­lung an schein­bar lee­ren Fla­schen, Fal­cons, Dosen und Glä­sern, alle wohl und fest ver­schlos­sen, prä­sen­tiert. Aber die Behält­nis­se sind alles ande­re als leer, son­dern stellt die welt­weit wohl größ­te Samm­lung an Win­den dar. Ein­ge­fan­gen wur­den die über 220 Win­de von über 100 Wind­bot­schaf­te­rIn­nen aus aller Welt, die die­se an das Maga­zi­ni dei Ven­ti geschickt haben.

Auch wir neh­men uns vor, den Step­pen­wind vom Neu­sied­ler­see an das Muse­um zu schi­cken. Denn was wir hier im Museo Bora erlebt haben, geht über unse­re bis­he­ri­ge Sich­wei­te auf den Wind weit hin­aus. Der Wind hat damit für uns ein Gesicht bekom­men, ein hei­te­res, ein mah­nen­des und ein freundschaftliches.

Wir bedan­ken uns bei Rino Lom­bar­di und freu­en uns schon dar­auf, wenn sein gro­ßes Pro­jekt eines eige­nen Museo Bora ver­wirk­licht ist.
Bis dahin kön­nen wir nur aller­herz­lichst emp­feh­len das Maga­zzi­no dei Ven­ti zu besu­chen und sich von der Bora ver­zau­bern zu lassen.

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