Genau vor einem Jahr, am 21. Jänner 2020 hielten wir mit großer Freude und Stolz endlich den sogenannten Seebrief in Händen. Dieser bestätigt nun amtlich, dass wir Eigentümer der Segeljacht “Stella Polare” sind, unser Registerhafen Wien ist und wir berechtigt und verpflichtet sind, die Flagge der Republik Österreich zur See zu führen.
Den Kauf hatten wir ja gut geplant, aber dann kam alles anders. Zwei Tage vor dem Transport von Bremerhaven nach Koper, den wir noch durchziehen konnten, wurden die Rollbalken runtergelassen. Und plötzlich fühlte sich der Besitz einer Yacht nicht mehr wie ein Traum, sondern wie eine Last an. Wir mussten den Liegeplatz umorganisieren, konnten beim Entladen nicht dabei sein und mußten uns darauf verlassen, dass man sich gut um das Schiff kümmert. Erst drei Monate später konnten wir zum ersten Mal die Matratzen in der Bugkabine live testen. Das Corona-Virus hatte uns einfach einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir hatten offenbar einen schlechter Moment für den Kauf einer Yacht erwischt.
Eine Yacht ist sicher keine lukrative finanzielle Investition, aber würden wir in Zeiten wie diesen unser Schiff ohne großen Verlust wieder verkaufen können? Ganz sicher nicht, dachten wir, denn in der Krise hätte man wohl andere Sorgen als sich eine Yacht zu kaufen.
Doch da haben wir uns überraschenderweise gehörig geirrt. 2020 war ein richtiger Boom am Gebrauchtbootmarkt. Lange Jahre war es ein Käufermarkt, der sich plötzlich in einen Verkäufermarkt drehte. Hatte man vor der Pandemie noch eine breite Auswahl an Angeboten und keine Eile, muß man sich nun schnell entscheiden, wird einhellig berichtet. Gute Stücke wären schnell weg, verhandelt würde nicht lange, man sei froh, wenn man zum Zug kommt. Das können das mit einem Blick auf den Markt nur bestätigen. Wir hatten etwa zwei Jahre lang den Markt nach unserem Wunschmodell beobachtet und eine große Auswahl an interessanten Angeboten. Wenn wir heute nach unserem Modell suchen, läßt sich kein vernünftiges Angebot mehr finden. So gesehen haben wir natürlich zum richtigen Zeitpunkt gekauft und wir hatten eine kurze aber wunderschöne erste Saison auf unserer „Stella Polare“.
Der Boom hat uns natürlich überrascht, aber wir können den Wunsch nach einem eigenen Schiff mehr als nachvollziehen. Die Unabhängigkeit und Freiheit auf eigenem Kiel unterwegs zu sein ist unbeschreiblich schön. Die Grenzen, an die man kommt, sind die Grenzen des eigenen Könnens und der eigenen Erfahrungen. Und man muss sich den Elementen und der Natur unterordnen um am Meer zu bestehen. Sehnsüchte, die in Anbetracht von Lockdown, Grenzschließungen und alltäglicher Quarantäne wohl sehr groß geworden sind.
Und vielleicht haben sich gerade jetzt die, die das unendliche Blau von Himmel und Wasser immer schon angezogen hat, die gleiche Frage gestellt wie wir: “Wozu warten?”. Wir haben trotz intensiven Nachdenkens keine schlüssige Antwort darauf gefunden, aber dafür genau das passende Schiff.