ist der beste tag um über das meer nachzudenken

Die Ghe­ga Maschine

Nicht alle Länder haben das Privileg eines Meerzuganges. Für das Binnenland Österreich war jahrhundertlang Triest das Fenster zu den Weiten der Ozeane. Doch um dorthin zu gelangen, müssen erst die Alpen überwunden werden.

1382 tra­fen die Bür­ger der auto­no­men Stadt Tri­est eine Ent­schei­dung, die ihre Zukunft nach­hal­tig prä­gen soll­te. Um sich vor der stän­di­gen Bedro­hung durch die Vene­zia­ner zu schüt­zen, beschlos­sen sie, sich der Schutz­herr­schaft des öster­rei­chi­schen Her­zogs Leo­pold III von Habs­burg zu unter­stel­len. Damit wur­de Tri­est als teil­sou­ve­rä­ne reichs­un­mit­tel­ba­re Stadt an das Habs­bur­ger­reich ange­glie­dert, was mit Unter­bre­chun­gen bis 1918 so blieb.

Und mit Tri­est hat­te das ursprüng­lich aus der Schweiz stam­men­de Haus Habs­burg erst­mals einen Zugang zum Meer. Von Wien aus gese­hen hat­te die impe­ria­le Ver­bin­dung mit Tri­est nur einen klei­nen Haken. Auf dem Weg von Wien nach Tri­est sind irgend­wie die Alpen im Weg. Und mit der Erhe­bung Tri­ests zum Frei­ha­fen, die 1719 durch Kai­ser Karl VI erfolg­te, begann der Auf­stieg zu einem der wich­tigs­ten Häfen des Mit­tel­mee­res. Kai­se­rin Maria The­re­sia ließ spä­ter das Vier­tel Bor­go Tere­sia­no erbau­en, das als moder­nes Han­dels­zen­trum geplant war. Mit sei­nem schach­brett­ar­ti­gen Stra­ßen­mus­ter und dem genau­en Plan für die Struk­tur von Han­dels- und Lage­häu­sern gilt es als eines der ers­ten Bei­spie­le für moder­ne Stadt­pla­nung. Auch ihr Sohn Joseph II setz­te die Inves­ti­tio­nen in den habs­bur­gi­schen See­ha­fen fort. Das vor­neh­me Vier­tel Bor­go Giu­sep­pi­no zeugt bis heu­te davon.

Aber der Weg zwi­schen Wien und Tri­est war eben mit der Über­que­rung des Wech­sel­ge­bir­ges und der Rax über den Sem­me­ring­pass etwas beschwer­lich. Daher begann man im 19. Jahr­hun­dert mit der Idee zu spie­len, eine Eisen­bahn­stre­cke über den Sem­me­ring zu bau­en. Und da kommt nun der Name Ghe­ga gleich zwei­mal ins Spiel. 

Carl Rit­ter von Ghe­ga wur­de mit der als unmög­lich ange­se­he­nen Auf­ga­be betraut. Ghe­ga war der Sohn eines vene­zia­ni­schen Mari­ne­of­fi­ziers mit einem aus­ge­präg­ten mathe­ma­ti­schen Talent, das ihn zum Inge­nieur­we­sen brach­te. Er plan­te zahl­rei­che Stras­sen- und Was­ser­bau­ten in Vene­ti­en und erwies sich als ein her­aus­ra­gen­der Kon­struk­teur. Für die Her­aus­for­de­rung der Errich­tung einer Süd­bahn­li­nie von Wien nach Tri­est reis­te er nach Groß­bri­tan­ni­en und in die USA, um dor­ti­ge Bahn­bau­pro­jek­te zu stu­die­ren. Mit der Gebirgs­bahn­li­nie über den Sem­me­ring gelang ihm schließ­lich ein über­wäl­ti­gen­des, tech­ni­sches Meis­ter­werk. Heu­te ist die 1854 ein­ge­weih­te und in nur 6 Jah­ren erbau­te Sem­me­ring­bahn UNESCO-Weltkulturerbe.

Um die alte Bahn­stre­cke zu ent­las­ten und vor allem, um den Weg in den Süden zu ver­kür­zen, wird seit 2012 an einem 27 Kilo­me­ter lan­gen Tun­nel unter dem Sem­me­ring gegra­ben. Und hier kommt zum zwei­ten Mal der Name Ghe­ga ins Spiel. Die Tun­nel­bohr­ma­schi­ne, die dabei zum Ein­satz kommt, trägt näm­lich den klin­gen­den Namen Ghe­ga. Sie ist 125 Meter lang, 1.800 Ton­nen schwer, hat einen Durch­mes­ser von 10 Metern und schafft 500 Meter Durch­bruch im Monat. Dass die­se Maschi­ne nach Carl Rit­ter von Ghe­ga benannt ist, ent­behrt nicht einer gewis­sen Iro­nie, unter­gräbt sie ja wort­wört­lich die unter von Ghe­ga selbst erbau­te Eisen­bahn­stre­cke durch einen Tunnel. 

Uns soll es recht sein, denn der Tun­nel wird die Eisen­bahn­fahrt in den Süden um eini­ges ver­kür­zen. Dabei geht es nicht nur um die his­to­ri­sche Ver­bin­dung von Wien nach Tri­est. Der Tun­nel ist ein Ver­bin­dungs­glied im Bal­tisch-Adria­ti­schen Kor­ri­dor, einer wich­ti­gen Ach­se die die Ost­see mit der Adria verbindet.

Im Zuge die­ser Renais­sance der Eisen­bahn in Euro­pa wur­de auch die direk­te Zug­ver­bin­dung zwi­schen Wien Haupt­bahn­hof und Tri­es­te Cen­tra­le 2021 wie­der in Betrieb genom­men. 164 Jah­re nach­dem der ers­te Zug die bei­den Städ­te auf der soge­nann­ten “pri­vi­le­gier­ten Süd­bahn” verband.

Und man kann auf der Stre­cke sogar mon­ar­chis­ti­sche Tra­di­ti­on erle­ben: der Zug braucht näm­lich für die 470 Kilo­me­ter lan­ge Stre­cke 8 Stun­den und neun­und­fünf­zig Minu­ten. Das ist tat­säch­lich ech­te k. und k. Geschwindigkeit.

Das Begrü­ßungs­ko­mi­tee am Haupt­bahn­hof von Tri­est muss­te bei der Eröff­nung der neu­en alten Zug­ver­bin­dung auch k. und k. Gelas­sen­heit zei­gen, hat­te doch der Zug mit der Wie­ner Dele­ga­ti­on zwei Stun­den Verspätung.

mar

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