Mit der Erhebung Triests zum Freihafen 1719 durch den Habsburger Kaiser Karl VI begann der Aufstieg von einer kleinen befestigten Stadt zu einem internationalen, pulsierenden und wichtigen Handelszentrum. Triest hatte sich zum Schutz vor dem mächtigen Venedig 1383 freiwillig unter die Herrschaft Österreichs gestellt. Eine Konstellation, die bis 1918 Bestand hatte. Karls Tochter, Kaiserin Maria-Theresia, ließ die Stadt und den Hafen weit ausbauen. Das Viertel “Borgo Theresiano” war eines der ersten auf dem Reißbrett entworfenen Stadtprojekte überhaupt, ein Handelszentrum mit schachbrettmusterartig angelegten Straßen, mit Lager- und Bürohäusern, die einem genauen Plan folgten. New York läßt grüßen.
Maria Theresias Sohn, Joseph II, führte den Ausbau der Stadt durch das Viertel “Borgo Giuseppino” weiter. Ein kleineres elegantes Viertel mit vielen Plätzen, das zum wissenschaftlichen und intellektuellen Zentrum Triests wurde.
Am südöstlichen Ende des Borgo Giuseppino, wo sich die Stadt an der Piazza Venezia zum alten Hafen öffnet, erstreckt sich der vornehme Palazzo Revoltella. Bauherr war Pasquale Revoltella (1795–1869), der nicht nur eine wichtige Persönlichkeit der Triestiner Gründerzeit war, sondern ein Parade-Unternehmer der Frühzeit, der Globalisierung und des internationalen Seehandels. Revoltella wurde als Sohn eines Metzgers in Venedig geboren. Seine Eltern zogen 1797 in die aufstrebende Stadt Triest und er begann als Lagerarbeiter bei verschiedenen Handelsunternehmen zu arbeiten. Die Dynamik in Triest schien für Revoltella wie gemacht, denn er machte sich mit einem Handelsunternehmen und Bankhaus selbständig, war Mitbegründer der Assicurazioni Generali und des Lloyd Austriaco und einer der wichtigsten Financiers der Suez Kanal-Gesellschaft, deren Vizepräsident er wurde. 1867 wurde er von Kaiser Franz Joseph zum Baron ernannt.
Revoltella war natürlich nicht der einzige große Unternehmer Triests, aber dass wir heute unseren Blick auf sein Leben werfen können, liegt an einer sehr nachhaltigen Entscheidung. Er beschloss schon zu Lebzeiten, dass seine Stadtresidenz zum Museum werden sollte und vermachte sie samt seiner darin untergebrachten Kunstsammlung der Stadt Triest, mit der Auflage, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Sammlung laufend zu erweitern. Das Museum besteht heute aus zwei Teilen. Der vordere Teil des Museums, zur Piazza Venezia hin, stellt das nach drei Seiten freistehende klassische Palais dar. Daran anschließend befindet sich eine Erweiterung das Museums mit der Sammlung moderner Kunst. Die Stadt Triest kaufte den angrenzenden Palazzo Brunner und Palazzo Basevi und gestaltete die Gebäude nach den Plänen des Architekten Carlo Scarpa in ein modernes Museum um.
Und es ist natürlich sehr zu empfehlen, das Museum zu besuchen. Der Eingang des Museums befindet sich im modern ausgebauten Teil des Museums, aber als SeglerInnen und MeerliebhaberInnen wenden wir uns gleich nach links und betreten das Privat-Palais des Baron Revoltella. Hier tauchen wir in die faszinierende Welt des 19. Jahrhunderts ein und machen eine Zeitreise. Es ist die Welt der Wissenschaft, des Seehandels und der Repräsentation. Revoltella hat den Berliner Stararchitekten Friedrich Hitzig nach Triest geholt, um sein Palais zu bauen. Hitzig war ein Schüler Schinkels, auf Privatbauten spezialisiert und von der französischen Architektur des Klassizismus beeinflußt. Er verstand es meisterlich klassische Eleganz und großbürgerliche Pose zu kombinieren.
Wir schreiten durch die aufwändig ausgestatteten Innenräume, durch das Atrium, das Arbeitszimmer des Barons mit den Plänen zum Suez Kanal, durch den roten Salon, die Bibliothek, das Spiegelzimmer und den Speisesaal, wo vornehme Galadiners zelebriert wurden. Überall finden sich Gemälde und Skulpturen aus seiner Sammlung. Am schönsten spiegelt eine große Figurengruppe im ersten Stock den Geist der Zeit wieder. Die weibliche Europa zerschlägt die Landenge von Suez und verbindet das Rote Meer mit dem Mittelmeer, dargestellt durch zwei männliche Figuren.
Hier steht man in einer Drehscheibe des beginnenden weltweiten Seehandels und der Globalisierung. Kapital und Macht verschmelzen mit Kunst und Wissenschaft zu einer grandiosen Einheit. Und das Ensemble wird zum Museum, denn die Zentren des Geldes und des Handels werden einige Jahrzehnte später aus den Palais in Glastürme übersiedeln.
Hat man genug bürgerliche Luft in der gedämpften Atmosphäre dieses Gesamtkunstwerks eingeatmet, dann ist man bereit für den modernen Teil des Museums. Am besten geht man jetzt gleich direkt auf die Dachlandschaft des Komplexes. Dieser Teil wurde vom italienischen Architekten Carlo Scarpa entworfen, aber erst nach dessen Tod fertiggestellt. Dass Scarpas Architektur von Frank Lloyd Wright, der unter anderem das Guggenheim Museum in New York entworfen hat, beeinflußt ist, läßt sich schwer übersehen. Hinter den alten Fassaden hat er auf sechs Stockwerken eine dynamische Verschachtelung weißer Museumsräume gebaut. Ganz oben öffnet sich das Museum in einer Dachlandschaft mit einem wunderbaren Blick auf Triest und den Golf. Die Architektur begnügt sich nicht damit, ein neutraler weißer Raum zu sein, sondern gibt immer wieder überraschende Perspektiven und Ebenen frei, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Die Sammlung spannt einen Bogen von Revoltellas Bildwelt des 19. Jahrhunderts, über die Moderne bis zur Kunst der Gegenwart mit Schwerpunkt auf italienische Kunst. Dass hier die ganz großen Meisterwerke nicht zu finden sind, darf nicht als Manko gesehen werden, sondern gehört zur Identität des Museums. Pasquale Revoltella wollte ja, dass die Privatsammlung eines Großbürgers in seinem Sinne weitergeführt wird. Und da paßt ein Mondrian, Picasso oder Yves Klein weniger ins Bild als der Fokus auf die regionalen Tendenzen. Die Kunstgeschichte ist ja auch keine Aneinanderreihung von Meisterwerken sondern die Geschichte der KünstlerInnen.
Wir bedanken uns nach dem Besuch bei Baron Revoltella, den wir nicht nur die Gründung des Lloyd Austriaco und den Bau des Suez Kanals zu verdanken haben, sondern auch dieses fantastische Museum, das man auf keinen Fall auslassen darf, wenn man in Triest angelegt hat. An manchen Ecken hat ja die imposante Hafenstadt an der Adria schon etwas, durchaus charmanten, Staub angelegt. Im Museo Revoltella aber ganz sicher nicht.