ist der beste tag um über das meer nachzudenken

Segel Demo­kra­tie

Wenn 1.614 Yachten gleichzeitig bei einer Regatta starten, nennen das manche puren Wahnsinn und andere das schönste Segelfest der Welt. Aber wie auch immer, bei der Barcolana wird die Demokratie des Segelns gelebt.

Pünkt­lich um 10:30 Uhr wur­de auch heu­er wie­der der Start­schuss zur größ­ten Regat­ta der Welt, der Bar­co­la­na, abge­feu­ert. Seit 1969 fin­det die­ses Wett­se­geln immer am zwei­ten Sonn­tag im Okto­ber vor der Küs­te Tri­ests statt. Und groß bezieht sich hier auf die Anzahl der star­ten­den Yach­ten. Heu­er waren 1.614 Yach­ten gemel­det. Zum 50-jäh­ri­gen Jubi­lä­um waren es sogar 2.689. Bei der ers­ten Aus­ga­be des “Cop­pa d’Autunno Bar­co­la­na”, des Herbst­po­kals, wie die Regat­ta eigent­lich heißt, waren gan­ze 51 Schif­fe an der Start­li­nie. Aber wie konn­te eine ein­fa­che Club­re­gat­ta so groß werden?

Der Erfolg und die Anzie­hungs­kraft der Bar­co­la­na, die heu­te syn­onym für ein gro­ßes 9‑tägiges Segel­fest in Tri­est steht, geht wohl auf das demo­kra­ti­sche Prin­zip der Regat­ta zurück. Hier mes­sen sich nicht Sport­le­rIn­nen nach einem vor­ge­ge­be­nen kom­ple­xen Regle­ment. Hier haben nicht Mess­brief und Klas­sen­be­stim­mun­gen das Wort. Hier geht es nicht um eine High Tech-Show. Das Mot­to lau­tet schlicht: „Hast du ein Boot? Hast du ein Segel? Dann kannst du an der Bar­co­la­na teilnehmen!“.

Und die­sem Mot­to sind wir auch gefolgt und haben mit unse­rer Stel­la Pola­re, einer Hall­berg-Ras­sy 312, Bau­jahr 1991,  die wohl mehr fürs siche­re Rei­sen als fürs Regat­ta­feld kon­stru­iert wur­de, teil­ge­nom­men. Die Regeln sind ein­fach. Der Anker muss abmon­tiert wer­den, der Motor darf nicht gestar­tet wer­den und eine auf­rech­te Haft­pflicht­ver­si­che­rung muss vor­ge­wie­sen wer­den. Die Anmel­de­ge­bühr ist mode­rat und den Pro­sec­co für die Ziel­li­nie bekommt man mit der Start­num­mer gleich mit­ge­lie­fert. Die lan­ge Start­li­nie liegt vor dem Stadt­teil Bar­co­la, die Ziel­li­nie vor dem Zen­trum von Tri­est. Der Kurs führt etwa 15 See­mei­len über 4 Wen­de­bo­jen in den Golf von Tri­est und ist immer gleich, egal woher der Wind kommt. Und die Yacht, die als ers­te im Ziel ist, hat die Bar­co­la­na gewon­nen, so ein­fach ist das.

Dass wir nicht gewon­nen haben liegt nicht nur an unse­ren Segel­küns­ten, son­dern dar­an, dass mit uns auch sehr vie­le Regat­ta­yach­ten jeder Grö­ße gestar­tet sind. Natür­lich ist das Feld in ver­schie­de­ne Klas­sen, je nach Boots­län­ge ein­ge­teilt. Der Sieg wird übli­cher­wei­se in der Klas­se der Maxi­yach­ten ver­han­delt, die sich nach dem Start­schuss mit bis zu 20 Kno­ten Speed aus dem Staub machen.

Aber das wirk­lich außer­ge­wöhn­li­che, her­aus­for­dern­de und unglaub­lich span­nen­de ist der Start. Denn alle Teil­neh­mer haben die glei­che Start­li­nie und star­ten gleich­zei­tig. Und dann fah­ren alle auf die ers­te Wen­de­bo­je zu. Zwar brin­gen nicht alle die glei­chen Vor­aus­set­zun­gen mit, aber an der Star­li­nie sind alle gleich, jeder hat die Mög­lich­keit dabei zu sein. Hier wird die Demo­kra­tie des Segelns hoch­ge­hal­ten und gelebt. Und die Wert­schät­zung für alle teil­neh­men­den Crews ist all­ge­gen­wär­tig. Natür­lich star­tet der Groß­teil ohne Aus­sicht auf den Sieg, aber das Ziel ist mög­lichst gut zu segeln und eine Kol­li­si­on zu ver­mei­den, was dies­mal bei Bora mit Böen von bis zu 38 Kno­ten auch in den hin­te­ren Rän­gen gar nicht so ein­fach war. 

Gewon­nen hat übri­gends die Mil­lio­nä­rin, Umwelt­schüt­ze­rin und Phil­an­thro­pin Wen­dy Schmidt am Steu­er ihrer 85 Fuss Maxi­yacht Deep Blue. Als ers­te Frau in der Geschich­te der Bar­co­la­na. Mit ihrer sym­pa­thi­schen, offe­nen Art hat die Ame­ri­ka­ne­rin die Her­zen der Tri­es­ti­ne­rIn­nen im Sturm erobert, immer­hin schau­en bei der Regat­ta selbst bis zu 100.000 Men­schen zu. Ihr Mot­to ist: „Sai­ling has no gen­der and no age!” und sie bezeich­ne­te  die Bar­co­la­na als die auf­re­gends­te Regat­ta ihres Lebens. Deep Blue  war übri­gens nach 57 Minu­ten und 47 Sekun­den im Ziel. Sie­ges­prä­mie gibt es kei­ne, aber dafür darf Wen­dy Schmidt den Pokal nun für ein Jahr in den ehr­wür­di­gen New York Yacht Club mitnehmen.Wir waren nach 3 Stun­den und 33 Minu­ten im Ziel. Das letz­te Boot in der Wer­tung war übri­gens Nai­ma eine wun­der­schö­ne, klas­si­sche Hal­berg-Ras­sy P28.

Dass es in der Demo­kra­tie aber nicht immer sport­lich zugeht, zeigt ein Vor­fall in den vor­de­ren Rei­hen. Der Eig­ner der zweit­plat­zier­ten Maxi Yacht Arca hat einem Seg­ler der geg­ne­ri­schen Crew bei der Sie­ges­fei­er ein Glas Bier ins Gesicht geschüt­tet und die Arca wur­de wegen unsport­li­chen Ver­hal­tens dis­qua­li­fi­ziert. Und so kam es, dass wir bei der größ­ten und demo­kra­ti­schen Regat­ta der Welt eine Maxi Yacht besiegt haben. Ganz ein­fach durch sport­li­ches Verhalten.

mar 
P.S.: Vie­len Dank an die Crew, Alex­an­dra, Flo und Pascal.

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