The Bible, 1966

Wenn Hollywood Legende John Huston die Bibel verfilmt, die Rolle des Noah grandios interpretiert und als die Stimme Gottes spricht, dann kommt dabei ein monumentales dreistündiges Meisterwerk heraus.

Natür­lich stellt sich die Fra­ge, war­um ein Film mit dem Titel “Die Bibel” im Hafen­ki­no pro­gram­miert ist. Einer­seits führt hier der groß­ar­ti­ge John Hus­ton Regie, ist in einer Haupt­rol­le zu sehen und als Stim­me Got­tes und der Schlan­ge im Para­dies zu hören. John Hus­ton hat sei­ne Affi­ni­tät zur See immer­hin mit Klas­si­kern wie “Key Lar­go”, “Afri­can Queen”, “Moby Dick” oder “Der See­mann und die Non­ne” unter Beweis gestellt. Ande­rer­seits nimmt in dem monu­men­ta­len Epi­so­den­film, der die ers­ten 22 Kapi­tel des Alten Tes­ta­ments erzählt, die Geschich­te von Noah und sei­ner Arche eine zen­tra­le Stel­le ein, die immer­hin 45 Minu­ten lang ist.

Der ita­lie­ni­sche Film­pro­du­zent Dino De Lau­ren­ti­is plan­te ursprüng­lich das gan­ze Alte Tes­ta­ment zu ver­fil­men, es blieb jedoch bei einem ers­ten Bibel­film, für den er John Hus­ton als Regis­seur gewin­nen konn­te. Dass ein der­ar­ti­ges Unter­fan­gen nicht zu einem ver­staub­ten Monu­men­talschin­ken ver­kom­men ist, son­dern bis heu­te ein äußerst sehens­wer­tes Meis­ter­werk ist, hat meh­re­re Ursa­chen. Der Film wur­de bis­wei­len als zu epi­so­den­haft und werk­treu, ohne reli­giö­se Dimen­si­on kri­ti­siert. Aber gera­de die­se Tat­sa­che ist es, die den Film davor bewahrt, in sen­ti­men­ta­le oder über­dra­ma­ti­sche Ges­ten zu ver­fal­len. Mit einem Auf­ge­bot an her­vor­ra­gen­den Schau­spie­lern wer­den hier fast naiv, neu­tral die Epi­so­den aus der Bibel dar­ge­stellt mit einem sehr prä­sen­ten Erzäh­ler, Hus­ton selbst ist Erzäh­ler und Stim­me Got­tes, der durch den drei­stün­di­gen Film führt. Man befin­det sich sozu­sa­gen in einem visu­el­len Hör­buch. Dazu trägt die über­aus gelun­ge­ne orches­tra­le Film­mu­sik des japa­ni­schen Kom­po­nis­ten Toshiro Mayu­zu­mi bei, die uns durch den gesam­ten Film trägt. Ein wei­te­rer Punkt sind die spek­ta­ku­lä­ren Land­schafts­auf­nah­men und Schau­plät­ze. Hus­ton gilt ja nicht zu unrecht als einer der her­aus­ra­gends­ten Hol­ly­wood Regis­seu­re, eine Iko­ne, was Insze­nie­rung und Kame­ra­füh­rung betrifft. Hier kommt dazu, dass ein Groß­teil der Auf­nah­men mit natür­li­chem Licht gemacht wur­den. Auch die 70 mm Todd-AO Auf­nah­me­tech­nik prägt die Ästhe­tik des Films. Hier wird auf 66 mm Nega­tiv­ma­te­ri­al gefilmt, das dann in der Post­pro­duk­ti­on auf 70 mm Posi­tiv­film über­tra­gen wird. Hus­ton kom­bi­nier­te die­se Tech­nik, noch dazu mit extre­men Weit­win­kel­ob­jek­ti­ven um zu den cha­rak­te­ris­ti­schen Per­spek­ti­ven zu kom­men. Dass “Die Bibel” kein Action­film ist, mag wohl nicht über­ra­schen. Der Plot ist weit­hin bekannt. Und Hus­ton ist ja auch ein Meis­ter für getra­ge­ne Momen­te, die  er hier episch aus­brei­ten kann. Wenn man sich auf sei­ne Geschwin­dig­keit ein­läßt, bekommt man hier eine groß­ar­ti­ge meta­phy­si­sche Erzäh­lung präsentiert. 

Aber da wir hier auch als Seg­le­rIn­nen vor der gro­ßen Lein­wand sit­zen, muss die Epi­so­de von Arche noch­mals extra her­vor­ge­ho­ben wer­den. Denn die­se 45 Minu­ten gehö­ren wohl zum Bes­ten, was Hol­ly­wood zu bie­ten hat. Eigent­lich waren Alec Guin­ness und Char­lie Chap­lin als Noah im Gespräch. Da kei­ner der bei­den die Rol­le spie­len woll­te, über­nahm sie John Hus­ton schlicht­wegs selbst und über­trifft sich selbst, als der gute, schick­sals­gläu­bi­ge Mensch, der, von Gott geführt, mit sei­ner Crew aus Men­schen und Tie­ren die Sint­flut über­steht. Allein für die­se Sze­nen wur­den 5 Schiffs­mo­del­le gebaut, das größ­te davon war 200 Fuß lang. Und der Schiffs­bauch der Arche war eines der größ­ten jemals gebau­ten Sets eines Innen­raums  in der Film­ge­schich­te. Allein am Bau der ver­schie­de­nen Archen waren über 500 Hand­wer­ker betei­ligt. Und wie genau die berüh­ren­den, para­dies­ar­ti­gen Sze­nen mit den unzäh­li­gen Tie­ren, die aus einem deut­schen Zoo stamm­ten, gedreht wur­den bleibt ohne­hin ein Rät­sel. Zeit­zeu­gen berich­ten von einem gewis­sen Cha­os am Set.

Die Sze­nen, in denen Noah vor sei­ner voll­ende­ten Arche steht und nach­her die Tie­re im Gän­se­marsch ins Inne­re des Kolos­ses führt, sind von einer berüh­ren­den visu­el­len Kraft, die dem Alten Tes­ta­ment wohl mehr als entspricht. 

1966 schrieb die Los Ange­les Times: “Direc­tor John Hus­ton and his asso­cia­tes have wrought a moti­on pic­tu­re that is not only magni­ficent almost bey­ond cine­ma­tic belief but that is also power­ful, quaint, fun­ny, thought-pro­vo­king and of cour­se, this being the Old Tes­ta­ment, fil­led with port­ents of doom.”. Dar­an hat sich bis heu­te nichts geändert.